Olaf Scholz (SPD) im Weißen Haus. Zum einstündigen Befehlsempfang beim US-Präsidenten. Es ist dem deutschen Kanzler ziemlich peinlich – falls Herrn Scholz überhaupt noch etwas peinlich ist. Es gibt keine Journalisten im Flieger, keine Pressekonferenz, nur zwei kurze Statements im Oval-Office, die Einigkeit und Entschlossenheit verkünden sollen. Das Ganze bleibt medial so flach wie irgend möglich.
Da es sich wohl kaum um eine Einladung zum Tee gehandelt haben dürfte und Herr Scholz wohl kaum wegen irgendwelcher Lappalien nach Washington geflogen ist, dürfte die internationale Lage der Hintergrund des „Gesprächs“ gewesen sein. Ebenfalls auszuschließen ist, dass der deutsche Kanzler die Interessen seines Landes und seiner Bevölkerung zum Ausdruck gebracht und dem US-Präsidenten klargemacht hat, dass er mit der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines einen kriegerischen Akt gegen die Bundesrepublik Deutschland begangen hat und dass er, Scholz, daher aus der Unterstützung des US-Stellvertreterkrieges in der Ukraine aussteigt. Damit die „Unterredung“ von deutscher Seite nicht ganz so devot aussieht, veröffentlichten die „New York Times“ und andere US-Medien im Anschluss eine geradezu phantastisch-abenteuerliche Tatarenmeldung von einer Art proukrainischem Amateur-Sprengkommando, welches eine halbe Tonne Sprengstoff in 70 Meter Tiefe an den Nord-Stream-Pipelines platziert und diese dann von irgendwo ferngezündet hochgejagt hätte. Die deutschen Medien, immer in transatlantischer Habachtstellung, haben diesen Schwachsinn natürlich in alle deutschen Wohnzimmer transportiert.
Wie auch immer. Die Nachrichten aus der Ukraine sehen aus der Sicht des Weißen Hauses nicht gerade erbaulich aus. Man hat seit gut 20 Jahren jede Menge Material, Geld und Manpower in das Ukraine-Projekt investiert und nun fliegt einem die Sache, trotz der medialen Gorillapose, buchstäblich um die Ohren. Die ökonomische Lage ist mies. Die Stimmung in den USA, im Kollektiven Westen insgesamt, wendet sich immer stärker gegen das Ukraine-Abenteuer. Außerdem hat man einen größeren Fisch zu braten. Die Ukraine ist out, darum sollen sich verstärkt die Europäer kümmern – China ist in. Wenn Washington noch irgendetwas von der „einzigen“, der „unverzichtbaren“ und der „exzeptionellen Weltmacht“ retten will, muss man China in die Schranken weisen. Und zwar bald. Der von China vermittelte, geradezu epochale saudi-arabisch-iranische Annäherungsprozess ist das ultimative Signal, dass es mit der US-Vorherrschaft zu Ende geht. Wenn man auch nur die Spur einer Chance haben will, sind alle (imperialistischen) Kräfte zu bündeln. Höchste Zeit also, die europäischen Vasallen mal anständig an die Kandare zu nehmen.
Da die militärischen Fähigkeiten der Europäer in Fernost doch eher begrenzt erscheinen, setzt Washington auf Japan und Korea und vielleicht noch auf Australien. Aber zunächst steht der Wirtschaftskrieg 2.0, die Entkoppelung von der „Abhängigkeit“ von China an. Biden will den Trump in der Hardcore-Version geben. Und da mögen sich bitte die Europäer als Erste ruinieren, wie sie es schon gegen Russland getan haben. Nur eben in einer bislang nicht gekannten Dimension. China hat größere Industriekapazitäten als die USA und Europa zusammen und den größten Markt weltweit. Sich davon abzukoppeln ist für den „Exportweltmeister“, für Europa insgesamt, mit ruinös noch zurückhaltend umschrieben. Und eben für dieses Suizidkommando dürfte der US-Präsident Herrn Scholz und eine Woche später auch Frau von der Leyen ins Weiße Haus einbestellt haben. Kein Wunder, dass Scholz bemüht ist, den Mantel des Schweigens über diesen blamablen Vorgang zu breiten.
Inwieweit sich die Europäer weiterhin den Befehlen aus Washington beugen und die deutsche/europäische Wirtschaft einer von Washington oktroyierten Kriegs- und Sanktionspolitik auch gegen China opfern werden, ist unklar. Die selbsterklärten Kriegskabinette in Berlin wie in Brüssel machen da wenig Hoffnung. Letztendlich haben die europäischen Hauptmächte noch alle Forderungen der US-Neocons im vorauseilenden Gehorsam erfüllt. Und wenn es noch so gegen vitale deutsche/europäische Interessen ging. Die Biden-Regierung hat, anders als Donald Trump, bis auf wenige Ausnahmen den gesamten Washingtoner Sumpf und die vereinigte „liberale“ Medienmacht hinter sich. Das Gleiche gilt, ebenso bei einigen Ausnahmen, für die ebenfalls weitgehend gleichgeschalteten europäischen Monopolmedien. Es bleibt, wie so häufig, den arbeitenden Menschen vorbehalten, für ihre Interessen, ihre Arbeitsplätze, ihre Einkommen zu kämpfen und den mörderischen Kriegs- und Sanktionspolitikern in den Arm zu fallen.