Der Berliner Mietendeckel, dessen Eckpunkte am 18. Juni vom Berliner Senat beschlossen worden waren (UZ vom 21. Juni), ist seit einer guten Woche wieder heißes Thema. Diesmal geht es um seine genaue Ausgestaltung. Auslöser war ein angeblich „durchgerutschtes“ Arbeitspapier der Berliner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Partei „Die Linke“) mit sehr mieterfreundlichen Positionen: feste Mieten-Obergrenze für alle Wohnungen bis Baujahr 2013 je nach Ausstattung und Baujahr von 3,42 Euro bis maximal knapp 8 Euro pro Quadratmeter kalt, Eigenbedarf-Kündigungen nur noch nach Genehmigung des Bezirks, Möglichkeit der nachträglichen Mietenabsenkung für alle Mieter, die bisher zu viel zahlten.
Die Immobilienindustrie und ihre Funktionseliten zeterten mal wieder: Haus&Grund sah das Ende der privaten Wohnraumvermietung aufziehen, FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja nannte den Mietendeckel „zutiefst unsozial“, sieht gar eine „Enteignung“ der Vermieter. Auch Vertreter der Senatskoalition von SPD und Grünen rückten schnell von Lompschers Papier ab: Rechtlich sei das nicht haltbar, auch „faire und soziale Vermieter“ würden bestraft, das Ganze sei „zu kompliziert“ und führe „zu zu vielen Härten“.
Trotzdem dominiert der Mietendeckel seitdem die Hauptstadtmedien. Kein Wunder, denn in den letzten zehn Jahren haben sich die Berliner Mieten für Wohnungssuchende verdoppelt. Lag 2008 die durchschnittliche Angebotsmiete noch bei 5,59 Euro, sind es aktuell 11,09 Euro pro Quadratmeter.
Mittlerweile wurde aus dem Papiertiger ein Bettvorleger. Bei einer Pressekonferenz am Freitag letzter Woche stellte Lompscher die wichtigsten Inhalte des tatsächlichen Senatsentwurfs vor und die haben fast gar nichts mehr mit den eingangs erwähnten Vorschlägen gemein. Denn nun sollen jährliche Mieterhöhungen – in Höhe der Inflationsrate – doch erlaubt sein. Die „Obergrenzen“ liegen im neuen Papier plötzlich bei 5,95 bis 9,80 Euro pro Quadratmeter. Unter bestimmten Voraussetzungen sind hier sogar Aufschläge erlaubt, zum Beispiel, wenn ein Haus in den letzten 15 Jahren „modernisiert“ wurde. Neubauten sind ganz ausgenommen. Die Beschränkung der Eigenbedarfskündigung fehlt komplett. Absenkungsanträge sollen jetzt nur noch für Mieter möglich sein, deren Netto-Kaltmiete 30 Prozent des Netto-Haushaltseinkommens übersteigt. Und außerdem soll es Härtefallregelungen geben – für Vermieter, wohlgemerkt.
Gehen wir davon aus, dass Arbeitspapiere nicht einfach so „durchrutschen“ und dass die Vertreter der Regierungskoalition sich über ihr Vorgehen abstimmen. „R2G“ gilt mittlerweile überall als realistische Option. Die bevorstehenden beziehungsweise nun bereits erfolgten Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern waren sicher ein wichtiger Grund für die Koalitionsparteien, besonders „mieterfreundlich“ zu tun. In Wirklichkeit haben sie den Mietendeckel verwässert. Das „Durchreichen“ des Linken-Arbeitspapiers an die Presse kann noch als Wink an die mietenpolitische Bewegung gesehen werden: Hier, das sollt ihr fordern, hier würde euch die Berliner Partei „Die Linke“ unterstützen. Oder umgekehrt – diese außerparlamentarischen Forderungen könnten der Linkspartei nützen. Bei alldem ist von dringend nötigem Wohnungsbau in großem Stil wieder einmal nichts zu vernehmen – sieht man von den ewiggestrigen Vertretern der Kapitalisten ab, die nicht müde werden, der privaten Bauwirtschaft das Wort zu reden. Und dass, obwohl sich der Wohnungsmangel während der letzten 30 Jahre gerade deshalb erst entwickeln konnte, weil man den Wohnungssektor vollständig den Privaten überließ. Nur der Einstieg in den Kommunalen Wohnungsneubau könnte mittelfristig für genug guten und preiswerten Wohnraum in der wachsenden Metropole sorgen. Zum Beispiel in den nächsten fünf Jahren. Daran führt auch der beste Mietendeckel nicht vorbei.
Der weichgespülte Berliner Mietendeckel jedenfalls wird frühestens Anfang 2020 in Kraft treten. Er ist zu einem Placebo verkommen. Und – aber das ist im kapitalistischen Wohnungswesen stets der Normalfall – künftig sind von Seiten der Immobilienlobby weitere Maßnahmen zu erwarten. Zur Absicherung hoher Profite mit der Miete.