Die „Deutsche Gesellschaft für das Badewesen e. V.“ (DGfdB) hat einen Blick in die Glaskugel geworfen. Im vergangenen Jahr beauftragte der Lobbyverband der öffentlichen Schwimmbäder die Kölner Agentur „Z_punkt“ mit der Entwicklung von drei möglichen Zukunftsszenarien für die „Post-Corona-Bäderwelt 2023“ und veröffentlichte das Ergebnis in der verbandseigenen Zeitschrift „AB“ (9/2020).
Eine kurze Zusammenfassung mit Auszügen: Das erste Szenario beschreibt den Idealfall, bei welchem die öffentlichen Schwimmbäder mit „einem blauen Auge durch die Krise“ kommen. Trotzdem wird „eine nicht unerhebliche Anzahl von Bädern“ ökonomisch „trockengelegt“. Das Schulschwimmen kann „teilweise aufrechterhalten werden“, doch die meisten Schwimmbäder sind „keine Freizeitorte mehr“. Schon der Bestfall sieht also finster aus. Szenario 2 beschreibt einen Umbruch mit Privatisierungen und Private-Public-Partnerships. Freibäder werden geschlossen und durch kleinere Abkühlungsmöglichkeiten wie Brunnen ersetzt. So entstehen Wasserflächen, die nicht mehr zum Schwimmen einladen, aber öffentliche Zuschüsse für die angebliche Verbesserung des Mikroklimas generieren. Auf diese Variante, die sich schadlos als grün-gelbe Transformation bezeichnen lässt, folgt schließlich die Dystopie.
Im dritten Szenario kommt es zu „Schließungen und Zwangsfusionen auf breiter Front“. Das Schulschwimmen wird abgeschafft und die Bäderlandschaft wird von privaten Pool-Herstellern verdrängt, die ihre Anlagen an Luxushotels und „Gated Communities“ verkaufen. Letzteres ist notwendig, weil „Guerilla-Pooling zu einem Trendsport unter Jugendlichen“ wird.
Ein kritischer Umgang mit diesen Prognosen ist erforderlich. Die Methodik ist unklar und die Auswahl der Szenarien ist offensichtlich interessengeleitet. Dabei sticht der „Worst Case“ hervor. Die schillernden Beschreibungen vom massenhaften Eindringen junger Menschen in private Pools dienen als Schreckgespenst für die bürgerliche Zielgruppe; als Warnung vor einem drohenden Klassenkampf in Badehose. Dagegen ist wiederum wenig einzuwenden. Der Schreck kann gar nicht groß genug sein, wenn man für eine flächendeckende, soziale Bäderlandschaft kämpft. Die kann es jedoch nur im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge geben, mit staatlich getragenen Bädern für Schule, Sport und Freizeit.
Jede sechste Gemeinde will im Jahr 2021 den Rotstift bei den Schwimmbädern ansetzen oder hat es 2020 bereits getan, wie die EY-Kommunenstudie 2020/21 ermittelte. Damit stehen die Bäder auf der Streichliste ganz oben. Dem Bädersterben droht so eine drastische Beschleunigung. Ein reines Krisenphänomen ist es jedoch nicht. Seit dem Jahr 2000 werden nach Angaben der „Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft“ (DLRG) im Schnitt 80 Schwimmbäder pro Jahr geschlossen. Schon heute hat ein Viertel der Grundschulen keinen Zugriff auf ein Lehrschwimmbecken und bietet deshalb keinen Schwimmunterricht an. Fast 60 Prozent der Zehnjährigen können nicht sicher schwimmen. Aus diesen Gründen hatte die DLRG im Jahr 2019 knapp 120.000 Unterschriften für eine Petition zur Rettung der Bäder gesammelt und beim Bundestag eingereicht. Sie wurde betont wohlwollend aufgenommen und einstimmig an die Regierung verwiesen. Geschehen ist seitdem nichts. Auch von der neuen Bundesregierung (Grün-Gelb lässt grüßen) ist wenig zu erwarten.
Um das Bädersterben zu erfassen, braucht es keine düsteren Vorhersagen, weil es seit vielen Jahren Realität ist. Es ist nicht das Ergebnis einer ökonomischen Notwendigkeit oder eines Krisenprozesses, sondern ein Teil des Abbaus sozialer Rechte und Errungenschaften; ein Ausdruck der fortschreitenden Umverteilung von unten nach oben. Der Klassenkampf ums Schwimmbad ist längst da und er droht sich zu verschärfen. Um ihn erfolgreich aufzunehmen, braucht es jetzt Wachsamkeit. Wenn er erst in Badehosen ausgetragen wird, ist es zu spät.