Parteitag der Französischen Kommunistischen Partei an diesem Wochenende

Klassen- und Wahlkampf

Von Georges Hallermayer

Am 2. Juni beginnt der 37. Parteikongress der Französischen Kommunistischen Partei (FKP). Der 2. Juni wird ein nationaler Aktionstag, der achte Höhepunkt im dreimonatigen Widerstand gegen das gewerkschaftsfeindliche Arbeitsgesetz „El Khomri“ sein – Myriam El Khomri ist die französische Arbeitsministerin. Drei Monate Streiks, d. h. während der Arbeitsniederlegungen ohne Lohn und Gehalt, Aktionen im ganzen Land in immer mehr Branchen, in kleinen wie in großen Betrieben. Angefeindet von Medien („Erpressung“, „Autofahrer als Geisel“ etc.) verbinden Gewerkschafter ihre betrieblichen Forderungen mit dem politischen Aufruf, das Gesetz zurückzunehmen und neu zu verhandeln.

Zur vorgesehenen Lesung im Senat am 14. Juni ist eine nationale Großkundgebung in Paris geplant. Damit ist der Plan der Regierung gescheitert, bis zum Beginn der Fußball-Europameisterschaft am 10. Juni in Paris den Widerstand zu erschöpfen, „auszusitzen“. Es ist nur zu hoffen, dass Präsident Francois Hollande „so weise ist“ (CGT-Chef Philippe Martinez), das Gesetz zurückzuziehen und nicht die Gendarmerie im bis Ende Juli verlängerten Ausnahmezustand „von der Leine“ zu lassen. 53 Abgeordnete der Nationalversammlung, Kommunisten, Sozialisten und Umweltaktivisten schrieben an den Staatspräsidenten einen ähnlich lautenden „Offenen Brief“, um „große Gefahren für das kollektive Leben abzuwenden“. Der Nationalsekretär der FKP sagte gegenüber dem TV-Sender BFMTV, dass die Kommunisten die Blockaden und Streiks „nicht nur unterstützen“, sondern dass die Bewegung „gestärkt werden“ müsse. Es ist zu hoffen, dass der Parteitag selbst aus den aktuell gewonnenen praktischen Erfahrungen Kraft schöpft und zum Beispiel den auf dem letzten Kongress gefassten Beschluss, wieder Betriebsgruppen zu gründen, verstärkt umzusetzen.

Der Parteikongress findet in Aubervilliers statt, einer kommunistisch verwalteten Stadt mit 80000 Einwohnern im ehemals „roten Gürtel“ um Paris. Für Jean-Jacques Karmann, Herausgeber der Vierteljahreszeitschrift „Approches Marxistes“ und seit 2014 erneut 2. Bürgermeister, Ex-Vizepräsident des Generalrats des Departements Seine-St. Denis und Mitglied im Nationalkomitee der FKP, wird die „grundsätzliche Frage des Parteitags“ sein müssen: „Wie die kommunistische Partei rekonstruieren“. Er stellt nüchtern fest, dass seit dem letzten Kongress im Februar 2013 die Partei bei den Wahlen die größten Rückschläge ihrer Geschichte hinnehmen musste: 2014 verlor die FKP 30 Prozent ihrer bis dato regierten Städte. 2015 verlor die Partei 30 Prozent ihrer Departements-Generalräte und Ende 2015 drei Viertel der Regionalräte. Und die von Pierre Laurent favorisierte, bislang noch nicht beschlossene Strategie für die Präsidentschaftswahlen 2017, sich an den Vorwahlen ­„Primaires“ auch mit „Sozialisten“ aus der Regierungspartei PS zu beteiligen, wird auf dem Parteitag einer der Streitpunkte sein, die auszufechten sind. Das Vorgehen, zu den Vorwahlen Eckpunkte eines Programms festzulegen, dürfte nach den Erfahrungen mit den Wahlversprechen eines Francois Hollande mehr als zu hinterfragen sein. Zudem hatte der Präsidentschaftskandidat der Front de Gauche für die Wahl im Jahr 2012 und Vorsitzender der Parti de Gauche Jean-Luc Melenchon bereits seine Kandidatur verkündet und wirbt kräftig zur Unterstützung seiner Kampagne (auch im Kreise der Kommunisten).

Auch die im April innerhalb der FKP durchgeführte Mitglieder-Abstimmung, welches Dokument die Grundlage der Parteitags-Debatte sein soll, machte eine Schwächung der Parteiorganisation öffentlich: Der Verlust von 11317 zahlenden Mitgliedern bedeutet eine „Erosion von 12 Prozent“ – wie „Communiste“, die Beilage der Humanite im Vergleich zum letzten Parteitag feststellte – bei dennoch beachtlichen 6,1 Mio. Euro jährlichen Mitgliedsbeiträgen. Die Abstimmung belegte aber auch einen Vertrauensverlust für die aktuelle Führung unter Pierre Laurent, denn die Vorlage des Nationalkomitees bekam nur eine äußerst knappe Mehrheit von insgesamt 51,2 Prozent.

Die ersten Konferenzen auf Federations-Ebene lassen eine Vielzahl von Änderungsanträgen zum Grundlagen-Dokument erwarten. „Die Frage, die die meisten Debatten hervorrief, ist Europa, das die Glaubwürdigkeit des Rests unseres Vorhabens entscheidend beeinflusst… Wie damit umgehen“, so Melanie Tsagouris, Vorsitzende im Departement Meuse. Der EU-Abgeordnete und Chefredakteur der kommunistischen Tageszeitung „L’Humanité“ Patrick le Hyaric signalisiert eine zunehmende kritische Distanz zu den Institutionen der EU und attackiert auf seinem blog Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission.

Auch die Frage der Wahlen und des Verkaufs der „L’Humanité“ beschäftigte die versammelten Genossinnen und Genossen, aber vor allem, wie die aktuellen Kämpfe gegen das Unternehmer-Gesetz El Khomri, die Bewegung „nuit debout“ und Initiativen gegen das Prekariat in Wohnvierteln unterstützt werden können.

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"Klassen- und Wahlkampf", UZ vom 3. Juni 2016



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