Wolfgang Mix
Kubas Internationalismus
Angola 1975–1991
Berlin und Böklund
Verlag Wiljo Heinen
2019, 154 Seiten, 10,- Euro.
Wolfgang Mix hat ein Buch über die Rolle Kubas bei der Befreiung des südlichen Afrika vom Apartheidregime vorgelegt, welches, das vorab, allen UZ-Leserinnen und -Lesern wärmstens empfohlen sei. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Arbeit im bürgerlich-strengen Sinne, denn einen umfangreichen Apparat wird man vergeblich suchen und der Ausdruck ist manchmal für unsere Lesegewohnheiten zu ergriffen, um noch als unparteiisch durchzugehen. Und trotzdem, oder gerade deshalb, handelt es sich um ein mitreißendes Werk. Wolfgang Mix erinnert uns daran, dass es nicht die Solidaritätskonzerte und auch nicht die Gebete und symbolischen Aktionen waren, die dem südafrikanischen Rassistenregime ein Ende bereiteten, sondern die klug geführten Waffen in kubanischer Hand.
Neben der eingängigen Aufarbeitung der historischen Abläufe, die anhand von (im Deutschen bislang zum Teil nicht vorliegenden) Standardwerken nachgezeichnet werden, beschäftigt den Autor der besondere Charakter des kubanischen Internationalismus, welcher „in seiner bedingungslosen Umsetzung weit über die Grenzen des machbar Erscheinenden“ hinausgehe. Er basiert auf einem „fundamentalen Humanismus“, und „entfaltet seine praktische Umsetzung dort, wo die Not am größten ist“. Zunächst war dies in Algerien der Fall, dessen Unabhängigkeitskampf Kuba seit 1961 unterstützte, später in der Mission Che Guevaras im Kongo und bei der Unterstützung der Befreiungsbewegung in Guinea-Bissau und Kap Verde, deren erfolgreicher Kampf letztlich dazu beitrug, den portugiesischen Kolonialismus in Afrika zu stürzen.
Nach der Nelkenrevolution 1974 sah das südafrikanische Regime seine Chance für eine Besetzung Angolas gekommen. Die marxistische Guerillabewegung MPLA, „Movimento Popular de Libertação de Angola“, bat Kuba um Hilfe, das daraufhin militärisch eingriff. Das weiße Elitedenken erlitt durch den unerwarteten Widerstand einen ersten Knacks und die südafrikanischen Truppen zogen sich zunächst aus Angola zurück.
Der mit dem südafrikanischen Apartheidsystem eng verwobene Imperialismus hatte Schwierigkeiten zu begreifen, dass Kuba aus internationalistischer Solidarität in Afrika handelte und nicht etwa als Vollzugshelfer der Sowjetunion agierte. Dabei waren die Beziehungen Kubas mit der Sowjetunion, was Afrika anging, von Differenzen geprägt. Mix schildert aufschlussreich, ohne dabei unsolidarisch zu werden oder Plattitüden zu bedienen, wie die kubanisch-sowjetischen Dissonanzen eine entscheidende Rolle für den weiteren Verlauf des Angola-Krieges spielten.
Zum einen weigerte sich die UdSSR, Kuba die geforderte High-Tech-Technologie zur Beherrschung des Luftraums zu beliefern. Damit behielt Südafrika über Jahre die Lufthoheit über Angola und Kuba war gezwungen, in dem sich entwickelnden Stellungskrieg seine Verteidigungslinie in einem Sicherheitsabstand von 250 km von der namibisch-angolanischen Grenze zu errichten, was den südlichen Teil Angolas de facto der Willkür der südafrikanischen Rassisten überließ.
Zum anderen verursachte die von sowjetischen Beratern eingeführte konventionelle Militärstrategie in den Jahren 1985 und 1986 zwei desaströse Niederlagen für die MPLA. Als Südafrika zur Gegenoffensive überging und sich anschickte, den strategisch wichtigen Ort Cuito Cuanavale einzunehmen, wandte sich die MPLA erneut Kuba zu und unterstellte seine Truppen der Befehlsgewalt von Fidel Castro.
Die Sowjetunion, schon vom Gorbatschowismus gezeichnet, zog sich verärgert zurück. Kuba schwächte die eigene Verteidigung daheim, „leerte seine eigenen Arsenale“ und erreichte so die Lufthoheit. Die Offensive der südafrikanischen Truppen wurde zurückgeschlagen. Starke Verluste und mangelnde Reserven zwangen Südafrika an den Verhandlungstisch. 1988 wurde zwischen der Sowjetunion, Südafrika, den USA, der MPLA und Kuba ein Abkommen ausgehandelt, welches den Abzug der Kubanischen Truppen aus Angola vorsah, aber zugleich dem Apartheidregime endgültig das Genick brach. Aus heutiger Sicht war es ein Wettlauf gegen die Zeit, denn ein früheres Ende der Sowjetunion hätte die Befreiung Afrikas von der Apartheid vermutlich verhindert.
Das erste Land, welches Nelson Mandela nach seiner Wahl zum südafrikanischen Präsidenten im Jahr 1991 bereiste, war Kuba. Dort erklärte er anerkennend, für das kubanische Volk sei Internationalismus nicht nur ein Wort, sondern eine Praxis zum Nutzen großer Teile der Menschheit. Und tatsächlich waren die kubanische Prinzipienfestigkeit und moralische Integrität mehr als eine bloße Wertehaltung. Wie schon in der Sierra Maestra wurde auch in Angola das Prinzip, die Kriegsgefangenen anständig zu behandeln, zum militärischen Faktor, da sich die gegnerischen Soldaten gegenüber Kubanern zuhauf ergaben.
„Kubas Internationalismus“ schildert den Kampf gegen Kolonialismus und Imperialismus in seiner kubanischen Umsetzung zugleich als einen Kampf gegen den Rassismus. Es gelingt dem Autor dabei anschaulich, die dialektischen Übergänge zwischen militärischen und politischen Auseinandersetzungen herauszuarbeiten. Besonderes Lob verdient die nachdenkliche Betrachtung der unterschiedlichen Haltungen der Sowjetunion und Kubas. „Auch Länder mit sozialistischem Anspruch haben häufig ihren eigenen Interessen oder auch vermeintlichen Notwendigkeiten den Vorrang gegeben. Der Internationalismus Kubas zeichnet sich hingegen durch ein hohes Maß an Klarheit, durch seine Konsequenz und Uneigennützigkeit aus.“ So arbeitet Wolfgang Mix in seinem Buch den Unterschied zwischen internationaler Politik und proletarischem Internationalismus heraus. Für die politische Arbeit der Kommunisten heute ist diese Erkenntnis von unschätzbarer Bedeutung.