Die Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst sind gescheitert

Klarheit im Klassenkampf

Die Arbeitgeberverbände haben die Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst scheitern lassen. Die Verhandlungsführerin der Kommunalen Arbeitgeber, die Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen, Karin Welge, und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) leiteten am Ende des vierten Verhandlungstags das Schlichtungsverfahren ein. In der kommenden Woche soll unter Vorsitz zweier „neutraler“ Schlichter eine Einigung in der Tarifauseinandersetzung gefunden werden. Einer von beiden wird der CDU-Hardliner Roland Koch sein. Als hessischer Ministerpräsident (1999 bis 2010) ist er für einen massiven Stellenabbau im Öffentlichen Dienst und den Ausstieg des Landes aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) verantwortlich.

Für den Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen (TVöD) gilt eine Schlichtungsvereinbarung, bei der sich beide Seiten diesem Verfahren unterwerfen müssen, sobald eine Tarifvertragspartei die Verhandlungen für gescheitert erklärt und die Schlichtung anruft. Welge benannte deutlich, worum es den Arbeitgebern geht: „Während des Schlichtungsverfahrens, das einige Wochen dauern wird, besteht Friedenspflicht. Somit bleiben den Bürgerinnen und Bürgern ab Mitte der kommenden Woche weitere Streiks erspart.“

Verhandlungen hinter verschlossener Tür, ohne dass die Beschäftigten mit Streiks Druck auf die Verhandlungen ausüben können, scheinen seit Längerem Ziel mindestens der kommunalen Arbeitgeber gewesen zu sein. Sie hatten erklärt, dass sie beim Abschluss höchstens eine Reallohnsicherung zulassen wollen. Übersetzt würde das ein Tarifergebnis unter der Inflationsrate mit einer angestrebten Laufzeit von 36 Monaten bedeuten – und damit weitere drei Jahre ohne die Gefahr von Arbeitskampfmaßnahmen.

Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke bedauerte den Schritt der Arbeitgeber und betonte, dass aus Sicht der Gewerkschaften eine Einigung in den sogenannten freien Verhandlungen möglich gewesen wäre. Die Beschäftigtenvertreter hätten sich bis an die Schmerzgrenze bewegt. In allen Forderungsfeldern habe man bis zum Schluss der Verhandlungen Lösungsvorschläge vorgelegt und auch Forderungen aufgegeben, um zu einem Tarifabschluss zu kommen. In der abschließenden Pressekonferenz erklärte er, dass die Unterschiede zwischen den Positionen „bei Lichte betrachtet“ nicht so groß seien.

1201 Titel2 - Klarheit im Klassenkampf - Öffentlicher Dienst, Politische Auseinandersetzungen, reaktionär-militaristischer Staatsumbau, Schlichtung, Streikrecht, Tarifverhandlungen - Wirtschaft & Soziales
(Foto: Christa Hourani)

Auch wenn solche Statements als taktische Manöver im Kampf um die öffentliche Meinung einzuordnen sind, verkennt Werneke mit dieser Äußerung, was sich durch die ganzen Verhandlungen gezogen hat: Die Herrschenden, ihre Parteien und die Arbeitgebervertreter wollen Ruhe an der Heimatfront. Sie brauchen Geld für ihre Kriegstreiberei und Aufrüstung. Eine Nähe der Positionen und Sozialpartnerschaft gibt es nicht mehr.

Dies wurde insbesondere bei den Gewerkschaftsforderungen nach freien Tagen und Altersteilzeit deutlich. Hier brachten die Arbeitgeber an jeder Stelle zum Ausdruck, dass es keinen Verhandlungsspielraum gibt. Insgesamt zeigt sich, dass die Verhandlungen gar nicht so frei sind, spiegeln sie doch das politische Programm von Merz und Co. wider, die sich zur Aufgabe gemacht haben, die tägliche Höchstarbeitszeit zu schleifen und für das Kapital zu flexibilisieren.

Unabhängig davon, wie die Schlichtung ablaufen wird, Klarheit hat diese Tarifrunde schon jetzt gebracht. Die Reste der Sozialpartnerschaft, die in der Vergangenheit die Tarifrunden im Öffentlichen Dienst geprägt haben, wurden von den Arbeitgebern aufgekündigt. Beim sich zuspitzenden reaktionär-militaristischen Staatsumbau ist dafür kein Platz mehr. Die Schlichtung muss von den Gewerkschaften genutzt werden, um die Belegschaften auf zukünftige Tarifauseinandersetzungen vorzubereiten. Ohne mächtige Streiks und die Verknüpfung mit politischen Kämpfen gibt es keine Aussicht auf Erfolg. Aufgabe der Belegschaften ist, ihre Gewerkschaften zu diesem Kurs zu zwingen, wenn sie erneut der Illusion der Sozialpartnerschaft verfallen.

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"Klarheit im Klassenkampf", UZ vom 21. März 2025



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