Redebeitrag von Hans-Jürgen Urban auf der Kundgebung „unteilbar“ am 13. Oktober in Berlin

„Klare Kante gegen rechts!“

Demonstration des Bündnisses #unteilbar mit 242.000 Teilnehmern

Demonstration des Bündnisses #unteilbar mit 242.000 Teilnehmern

( r-mediabase.eu / Rudi Denner)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunde!

Seit Chemnitz gibt es keine Ausreden mehr! Wer angesichts des Schulterschlusses rechtsradikaler Kräfte noch von „berechtigtem Bürgerprotest“ spricht, wer immer noch die AfD unterstützt, um „denen da oben eine auszuwischen“, der muss wissen, was er tut! Der öffnet alten und neuen Nazis die Türen.

Und wer, wie Innenminister Horst Seehofer, Migration zur „Mutter aller politischen Probleme“ erklärt oder „gar am liebsten selbst auf die Straße“ gegangen wäre, der verlässt rhetorisch den demokratischen Sektor und macht sich zum Steigbügelhalter. Wissentlich!

Deshalb: Weil Arroganz, Rassismus und Rechtspopulismus tief in die Gesellschaft eindringen, ist es so wichtig, dass und wie wir heute hier stehen: Als Demokratiebewegung und für von Menschenrechte, Toleranz und Solidarität. Bunt, vielfältig und unteilbar!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Wir zeigen Flagge und organisieren den Widerstand:

– gegen die Morgenluft witternde Alt-Faschisten;

–  gegen die smarten Jungs und Mädels der sogenannten „Identitären Bewegung“;

– gegen die Heuchler der AfD, die freundlich in Talkshow-Kameras grinsen und in Bierzelten und Parlamenten hetzen;

– und gegen sogenannte Konservative, die immer weiter nach rechts rücken, um ein paar Wahlprozente zu ergattern.

Wir sagen laut und deutlich: Wir haben die Schnauze voll von euch, die ihr euch an Menschenrechten und Demokratie zu schaffen macht. Die ihr Biedermänner und Brandstifter in einem seid. Wir sind eure Gegner, und wir werden alles tun, euch das Handwerk zu legen!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Es ist unerträglich, wie sie mit Worten lügen.

– Wenn sie „Demokratie“ sagen, dann denken sie an deutschtümelnde Patrioten, die rechten Ideologen zujubeln.

– Wenn sie „Leitkultur“ rufen, dann meinen sie Geschichtsklitterung und die Abwertung anderer Kulturen.

– Wenn sie vom „Volk“ reden, dann phantasieren sie von einer homogenen Masse, die es nie gab und hoffentlich auch nie geben wird.

– Und wenn sie neuerdings die „soziale Frage“ stellen, dann meinen sie „Ausländer raus und Grenzen zu – damit für Deutsche mehr übrig bleibt“.

Ja, die Rechte hat die soziale Frage als Feld ihrer Propaganda entdeckt. Die soziale Frage, so tönt der thüringische AfD-Hetzer Höcke, verlaufe nicht mehr zwischen oben und unten. Denn, Zitat: „Die neue deutsche soziale Frage des 21. Jahrhunderts ist die Frage nach der Verteilung des Volksvermögens von innen nach außen.“ Innen und außen meint: „Deutschtum“ als Zugangsberechtigung zu sozialer Sicherung, der Rest guckt in die Röhre.

Liebe Freundinnen und Freunde!

Das ist ein vergiftetes Angebot! Es wendet sich an diejenigen, die durch die Agenda-Politik und Hartz-Reformen an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Auf diese Zumutung kann es nur eine Antwort geben: Bleibt uns vom Hals mit eurer völkischen Karikatur eines Sozialstaates.

Das hättet ihr gerne, dass wir die Ursache für Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Spaltungen bei denjenigen suchen, die selbst Opfer des Gegenwarts-Kapitalismus sind.

Die neue soziale Frage bleibt im Kern die alte. Sie wird auch heute entscheiden zwischen oben und unten, zwischen Reich und Arm, zwischen denen, die Geld, Eigentum und Macht besitzen und denen, die nichts von dem haben.

Oder glaubt denn wirklich jemand, dass die Flüchtlinge fairen Löhnen, sicheren Arbeitsplätzen und sozialer Sicherheit im Wege stehen? Oder dass wir Steuerflucht, explodierende Mieten und obszöne Managergehälter in den Griff bekommen, wenn wir die Grenzen schließen und die Menschen im Mittelmeer ersaufen lassen? Nein! Hetze gegen Minderheiten hilft nicht gegen soziale Ungerechtigkeit. Und dazu braucht es keinen Nationalismus, sondern internationale Solidarität, starke Gewerkschaften und Druck aus der Zivilgesellschaft.

Liebe Freundinnen und Freunde!

Unsere Botschaft lautet: „Klare Kante gegen rechts!“ Klare Kante gegen alle, die auf der Flamme von sozialen Zukunftsängsten vieler Menschen ihre braune Suppe kochen; und gegen die, die sich als Anwälte der angeblich „kleinen Leute“ tarnen, um ihre widerlichen Phantasien von Volk und Rasse zu vermarkten. Für euren Rassismus ist kein Platz in einer demokratischen Gesellschaft!

Aber ich sage auch: So wichtig die klare Kante gegen die Ideologen, Organisatoren und Galionsfiguren der rechten Bewegungen ist: Genauso wichtig ist ein Angebot an diejenigen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, die täglich vom sozialen Abstieg bedroht sind und die ihre Lebensbiographie entwertet und verraten sehen. Denen müssen wir die Türen öffnen.

Offene Tür bedeutet nicht, den rechten Gesinnungen entgegenzukommen. Offene Tür bedeutet die Einladung, gegen reaktionäre und für solidarische Lösungen sozialer Probleme zu kämpfen. Bei uns, in Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und örtlichen Initiativen.

Für Umverteilung, Geschlechtergerechtigkeit, ethnischen Pluralismus und sexuelle Toleranz. Wer wirklich etwas tun will für eine bessere Gesellschaft, der ist unter Rassisten und Nationalisten denkbar schlecht und bei uns denkbar gut aufgehoben.

Liebe Freundinnen und Freunde!

Ich stehe hier als Gewerkschafter, der für ein breites, unteilbares Bündnis wirbt. Die Gewerkschaften, meine IG Metall sind im wahrsten Sinne des Worte „bunte Haufen“! Mit Menschen aus aller Herren Länder, mit unterschiedlichen Herkünften, Kulturen und Lebensentwürfen. Das macht uns reich!

Eine IG Metall ohne die Kolleginnen und Kollegen mit migrantischem Hintergrund oder mit nicht-deutschem Pass ist eine Horrorvorstellung. Welch ein Verlust an Erfahrungen und Impulsen – und an Kampfkraft wäre das! So wünsche ich mir auch unsere Gesellschaft:

Als bunter Haufen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und Leidenschaften – und mit demokratischer unteilbarer Widerstandskraft!

Vielen Dank!

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"„Klare Kante gegen rechts!“", UZ vom 19. Oktober 2018



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