UZ: Am vergangenen Montag beging das rassistische „Pegida“-Netzwerk in Dresden seinen ersten Jahrestag. Wie bewerten Sie den Aufmarsch der Rechten?
Volker Külow: Der Aufmarsch am Montag war gespenstisch. Die Reden, vor allem die des deutsch-türkischen Autors Akif Pirinçci, war volksverhetzend und offen faschistisch. Er bemängelte: „die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“. Aktuell erleben wir eine weitere Radikalisierung der rechten Protestaktionen. Mancherorts werden bereits Gesetze gebrochen, ohne dass der Staat einschreitet. So wurden in einigen sächsischen Kommunen Zufahrtswege zu geplanten Flüchtlingsunterkünften blockiert. Am Montag sollen bis zu 20000 Personen am „Pegida“-Aufmarsch teilgenommen haben.
Es haben jedoch auch erfreulicherweise mehrere Tausend Nazigegner am Montag für eine Gesellschaft, die Menschenwürde an die erste Stelle setzt und die sich der Hetze konsequent entgegenstellt, demonstriert. Deutlich günstiger sind die Kräfteverhältnisse auf der Straße in meiner Heimatstadt Leipzig. Wenn „Legida“ aufmarschiert, stoßen die Rechten stets auf starken Widerstand. Schließlich gibt es in Leipzig seit vielen Jahren eine starke Antifa-Szene und bewährte zivilgesellschaftliche Bündnisstrukturen bis in Kirchenkreise, die eine hohe Mobilisierungsfähigkeit haben. Aber man darf das rechte Potenzial in unserer Stadt natürlich auch nicht unterschätzen.
UZ: Im Nachgang an den rechten Anschlag auf die parteilose Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker, der sich am Sonnabend letzter Woche an einem Wahlkampfstand in der Domstadt ereignet hatte, wurde vielfach die These vertreten, „Pegida“ habe sich erst in den vergangenen Wochen radikalisiert. Teilen Sie diese Einschätzung?
Volker Külow: Ja, diese These teile ich. Dass derart viele Personen nach dem feigen Mordanschlag des Neonazis auf Henriette Reker an dem „Pegida“-Aufmarsch teilgenommen haben, lässt tief blicken. Diese Leute müssen sich nicht wundern, wenn sie als extreme Rechte bezeichnet werden. Wer zusammen mit Nazis aufmarschiert, rechte Parolen brüllt und gegen Flüchtlinge hetzt, ist rechtsextrem. Daran gibt es nichts zu deuten.
UZ: Rechnen Sie mit einem weiteren Ausufern der rassistischen Gewalt und auch derartiger mörderischer Anschläge?
Volker Külow: Ich kann und will diesbezüglich keine Prognosen abgegeben. Klar ist jedoch, dass Deutschland ein riesengroßes Problem mit rechter Gewalt hat. Ich erwarte von den Behörden, dagegen entschieden vorzugehen und nicht weiterhin zu verharmlosen und wegzuschauen, wie es in einigen Orten passiert ist. Allein zwischen Januar und August dieses Jahres sind 258 Menschen durch Nazis verletzt worden. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.
UZ: Welchen Beitrag hat die etablierte Politik am Erstarken dieser Strukturen?
Volker Külow: Den entscheidenden. Nicht wenige Politiker haben mit ihren pauschalen Verächtlichmachungen Öl ins rassistische Feuer gekippt. Zu nennen wären in diesem Zusammenhang nicht nur der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), sondern auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière.
Daher muss die Linke und auch die gleichnamige Partei noch viel stärker das totale Versagen der herrschenden Politik auf Bundes- und Landesebene, den hier herrschenden Zynismus und die abgrundtiefe Heuchelei – ich nenne nur das Stichwort „Fluchtursachen bekämpfen“ – thematisieren und ihre Kritik offensiv in die Öffentlichkeit tragen. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass Schwache nicht gegen Schwache ausgespielt werden. Beispielsweise sozial Deklassierte gegen Flüchtlinge.
UZ: Wie ist den rassistischen Massenaufmärschen überhaupt noch beizukommen?
Volker Külow: Wir müssen Fluchtursachen benennen. Diese liegen in der imperialistischen Kriegspolitik der BRD, der NATO und der USA. Wir brauchen eine klare antikapitalistische Politik, die zugleich klare Kante gegen Rassismus und Neonazis zeigt.
UZ: Steht Ihre Partei denn nicht vollends alleine da? Schließlich machen CSU und CDU mehrheitlich gegen Flüchtlinge mobil. Die SPD stimmte im Bundestag jüngst einer weiteren Verschärfung des kümmerlichen Restes des Asylrechts zu, die Grünen enthielten sich aus Rücksicht auf ihren Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg. Auch in der von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) geführten Koalition scheint es bei diesem Thema erste Verwerfungen mit den Partnern von SPD und Grünen zu geben …
Volker Külow: Vielleicht im Bundestag und in den Landtagen. Nicht aber in den außerparlamentarischen Bündnissen. Was die übergroße Koalition mit der weiteren Verschärfung der letzten kümmerlichen Reste des Asylrechts angerichtet hat, ist schändlich. Dass Bündnis 90/Die Grünen dieses Treiben unterstützt haben, ist unverzeihlich.
In Sachsen schwenkt die CDU politisch ganz ungeniert auf den CSU-Kurs von Horst Seehofer ein, der für den nächsten CDU-Landesparteitag im November auch als Gastredner eingeladen ist. Hier wird an einer konservativen Achse Bayern-Sachsen geschmiedet. Das Umfrageergebnis von 13 Prozent für die sächsische AfD vor wenigen Wochen hat bei den Christdemokraten sichtbare Nervosität ausgelöst.