Der deutsche Staat ist großzügig. Gerade hat die Bundesregierung die Fluggesellschaft Lufthansa mit 9 Milliarden Euro vor dem Konkurs gerettet, was das Unternehmen nicht davon abhält, 26.000 Angestellte zu entlassen. Wer wird bei solchen Summen kleinlich sein, zumal es gilt, das deutsche Kapital vor den Folgen der Corona-Pandemie zu schützen.
Doch wer den Reichen gibt, muss den Armen auch nehmen. Die Gemeinde Neukirchen im sächsischen Landkreis Zwickau hat sich in den letzten Wochen etwas Fischelantes ausgedacht, wie sie das Geld von arbeitenden Menschen zurückholen kann, das der Staat an Konzerne verteilt. Denn in den Kommunen, wo das Leben bezahlt wird, fehlt es nicht erst seit in der Wirtschaftskrise vor zehn Jahren, in der Konzerne immer wieder mit Steuergeld vor dem Bankrott bewahrt werden. Zu den Aufgaben der Kommunen gehört auch die Kinderbetreuung, die natürlich von den Eltern durch Gebühren selbst aufgebracht werden muss. Bisher nach dem Grundsatz: Bezahlung gegen Leistung.
Durch die Schließung der Einrichtungen, mit der die Regierung auf die Ausbreitung des Coronavirus reagiert hat, fiel diese ab 19. März auch in Neukirchen aus. Ab 19. April wurde eine Notbetreuung eingerichtet, die am 4. Mai auf Kinder von Eltern in Berufen mit „erweiterter Systemrelevanz“ ausgeweitet wurde. Seit 18. Mai haben alle Einrichtungen wieder im eingeschränkten Regelbetrieb geöffnet. Eltern, die ihre Kinder in die Notbetreuung gaben, mussten ihren Bedarf nachweisen, wobei nicht geregelt war, ob auch Heimarbeit dazu gehört. Einige Eltern konnten mit Kita-Leitungen mündlich verkürzte Betreuungszeiten für ihre Kinder vereinbaren.
Nun präsentierte die Gemeinde den Eltern die Rechnung, und diese besagt, dass auch für die Zeit der Notbetreuung die komplette vertraglich vereinbarte Summe der Gebühren zu entrichten ist. Das bedeutet: Obwohl Kinder nur 6,5 Stunden eine Kita besuchen durften, müssen ihre Eltern 9 Stunden Betreuung bezahlen. Außerdem sollen Eltern von Kindern der 4. Klasse, die seit 6. Mai wieder zur Schule gehen, Hortgebühren für den halben Monat Mai erbringen, obwohl bis zum 18. Mai ein Hort gar nicht besucht wurde, sondern Lehrer die Kinder in der Schule beaufsichtigt haben. Den Eltern wurde Anfang Mai auch mitgeteilt, dass der reguläre Hortbeitrag erst wieder ab 18. Mai zu entrichten ist. Nun hat es die Gemeinde Neukirchen intern anders beschlossen und so entstehen für Eltern Kosten in Höhe von über 30 Euro pro Kind für eine nicht erbrachte Leistung.
Die Empörung darüber ist groß, auch wenn die Summe – verglichen mit 9 Milliarden Euro Subventionen – verhältnismäßig klein erscheint. Aber dass die Gemeinde eine solche Regel einfach festlegt, ärgert viele, deren Arbeitsleben durch die Schließung von Betreuungseinrichtungen eingeschränkt war und die nun für diese Belastung zahlen sollen. Eltern, die sich darüber bei der Gemeinde beschwert und mit Widerspruch gedroht haben, mussten sich sagen lassen: „Darunter werden Ihre Kinder leiden.“
Solche Aussagen lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Aber nicht nur Kinder, sondern auch Lehrer und Erzieher leiden bereits unter dem Bildungssystem einer Gesellschaft, in der Profit mehr zählt als die Bedürfnisse der Menschen, die in ihr leben. Sich dagegen zu wehren, mag Risiken bergen, es nicht zu tun, macht das Leiden aber nur gewisser.