Zur Krise in den Jugendämtern

Kinderland abgebrannt

Vor wenigen Tagen deckte eine Reportage des WDR die katastrophale Lage in deutschen Jugendämtern auf. Drei Viertel aller Jugendämter berichteten dem Sender in einer anonymen Umfrage von gravierendem Personalmangel. Dieser sei so stark, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen gefährdet sei. Das heißt auch, dass Eltern und ihre Kinder unterhalb einer „Gefährdung“ keinerlei Unterstützung erhalten haben.

Das vom Bund beschlossene SGB VIII bildet die gesetzliche Grundlage. Darin wird neben dem Kinderschutz auch der Rechtsanspruch auf Hilfe zur Erziehung geregelt. Zuständig für die Finanzierung sind die Kommunen. Von denen haben viele kein Geld, so dass bei den Jugendämtern die Lücken immer größer und gesetzliche Vorgaben nicht mehr eingehalten werden.

Dabei ist die Schwelle, bei der Jugendämter eingreifen, hoch. Von einer Kindeswohlgefährdung spricht man erst, wenn die körperliche, geistige und seelische Entwicklung gravierend beeinträchtigt ist. Dauerhafte Mangelernährung aufgrund von Armut zählt da nicht, solange zumindest etwa Yum­Yum-Nudeln auf dem Teller sind. Auch die Wohnverhältnisse müssen von den Jugendämtern in der Regel ignoriert werden. Dass auch eine angemessene Wohnung eine Form von Jugendhilfe sein kann, ist so weit weg von der Realität in den Jugendämtern, dass niemand mehr auf die Idee kommt.

Da die gesellschaftlichen Verhältnisse zugespitzt werden, landen immer mehr massive Fälle auf den Schreibtischen. Vor allem durch die Verschärfung des Kampfes gegen Arme und die Unterlassung von Hilfen wie der Einführung einer Kindergrundsicherung verschärft sich die Lage weiter. Hilfe kommt erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Dann fehlen aber die Plätze in der ausgemerkelten Jugendhilfe, wo ebenfalls Personalnot grassiert.

Wo das Geld ist, das den Jugendämtern und im gesamten sozialen Bereich fehlt, braucht man UZ-Leserinnen und -Lesern nicht zu sagen. Das WDR-Team scheint sich diese Frage nicht gestellt zu haben. Die interviewten Kolleginnen und Kollegen haben zumindest erkannt, dass das Jugendhilfesystem marode ist. Das Familiengesetzbuch der DDR benannte die Ursachen: „Die Ausbeutung des Menschen, die gesellschaftliche und rechtliche Herabsetzung der Frau, (…) materielle Unsicherheit und andere Erscheinungen der bürgerlichen Gesellschaft.“

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"Kinderland abgebrannt", UZ vom 17. Januar 2025



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