Steffen Friedrich ist Mitglied des Kreisvorstandes der DKP Hannover und der Wohngebietsgruppe Linden-Limmer. UZ sprach mit ihm über die kommenden Kürzungen, die Entwicklung seines Viertels und Möglichkeiten zur Gegenwehr.
UZ: Die Stadt Hannover will in diesem Jahr 120 Millionen Euro einsparen. Welche Kürzungen sind geplant?
Steffen Friedrich: Die angekündigten Sparmaßnahmen können nur als Angriff auf die soziale Lage der arbeitenden Menschen gesehen werden. Die rot-grüne Stadtspitze hat vor, über den Geldbeutel der einfachen Menschen zu sparen. Sei es über weitere Kürzungen bei der sozialen und kulturellen Infrastruktur oder über Erhöhungen bei Grundsteuer, Gebühren und Eintrittspreisen, bei denen die Stadt ihre Hand drauf hat. Auf dem Kürzungsplan stehen vier Jugendtreffs und zwei Bibliotheken, städtische Schwimmbäder werden geschlossen oder nicht revitalisiert. Zynisch wird es, wenn es um Sparmaßnahmen geht, die die Versorgungspflicht der Stadt Hannover betreffen. So sollen Kinder, die aus „Problemfamilien“ kommen, vermehrt an „gute Pflegefamilien“ abgegeben werden, da in städtischer Obhut zu viele Kosten entstehen – eine unfassbare Argumentation. Bei der angespannten Wohnungssituation in Hannover sollen zudem ohne sichtbares Konzept Flüchtlinge in Wohnungen einquartiert werden. Das birgt gesellschaftlichen Sprengstoff.
UZ: Wer ist am meisten betroffen?
Steffen Friedrich: Die Preise im öffentlichen Nahverkehr steigen jedes Jahr. Besuche in städtischen Gärten, Schwimmbädern und so weiter sind für viele Familien finanziell schwer zu stemmen. Mietkosten fressen oft mehr als 50 Prozent des Einkommens. Behördengänge werden aufgrund von Personalabbau und schlecht organisierter Digitalisierung zum Abenteuer. Die großen Verlierer sind jedoch Kinder und Jugendliche. In den Kitas werden auf Grund des Personalmangels Öffnungszeiten gekürzt oder diese öffnen erst gar nicht. An den meist sanierungsbedürftigen Schulen wachsen die sozialen Spannungen, die Gewaltbereitschaft unter den Schülern, die Überforderung der Lehrer und Eltern. Das Wegbrechen außerschulischer Aktivitäten und Betreuung wird diese Situation noch verschärfen.
UZ: Hannover hat Schulden in Höhe von 581 Millionen Euro. Was kann man dem vermeintlichen „Sparzwang“ entgegensetzen?
Steffen Friedrich: Möchte man auf kommunaler Ebene Menschen dazu bringen, sich für ihre sozialen Interessen einzusetzen, also Druck „von unten“ aufbauen, braucht es konkrete Forderungen. Jeder weiß, wie es seit 1989 um die Staatsausrichtung steht. Der bürgerliche „Sozialstaat“ steht zum Ausverkauf. Den Kommunen steht immer weniger Geld zur Verfügung. Mit Werkzeugen wie der Schuldenbremse oder Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) wird dem Monopolkapital der Tisch mit öffentlichem Eigentum gedeckt. Die Ergebnisse sehen wir schon lange am privatisierten Wohnungsmarkt, in der Gesundheits- und Pflegeversorgung, dem Bildungswesen und in den Einrichtungen des „öffentlichen Rechts“. Daher versuchen wir, konkrete politische Forderungen zu entwickeln, die auf Erhalt der nur noch gering vorhandenen sozialen Infrastruktur der Stadt Hannover setzen. Wir zeigen auf, wofür Geld da ist und wofür anscheinend nicht. Wir stellen die Klientelpolitik mit ihren Ausgaben für das im Volksmund „rot-grün“ genannte und meist verhasste Milieu gegen unterlassene Investitionen in die soziale Infrastruktur. Dabei ist das A und O unserer Politik, die arbeitenden Menschen für die aktive Vertretung ihrer Interessen zu mobilisieren. Denn nur so kann „demokratische Kontrolle“ funktionieren und die „Gemeinnützigkeit“ oder „Gemeinwohlorientierung“ zum Beispiel der städtischen Wohnungsgesellschaft durchgesetzt werden.
UZ: Widerstand muss auch aus den Stadtteilen kommen. Vor Kurzem habt ihr eine Veranstaltung mit dem Titel: „Kann ich mir Linden-Limmer noch leisten?“ organisiert. Was ist Linden-Limmer für ein Bezirk und wie hat er sich entwickelt?
Steffen Friedrich: Linden-Limmer ist ein alter Arbeiterstadtteil, der noch bis Mitte der 60er-Jahre im Beheben der Kriegsschäden steckte. Durch die Zuwanderung vieler ausländischer Arbeitskräfte ist die Bevölkerung vielfältig zusammengesetzt. Seit den 70er Jahren versucht die Stadt, diesen Charakter zu verändern und im Zuge ihrer Baupolitik den Stadtteil luxuszusanieren. Dagegen wehrten sich die Lindener und verhinderten die Zerstörung von ganzen Straßenzügen mit typischen Arbeiterhäusern und die Zwangsumsiedlung ihrer Bewohner an den Stadtrand. Durch die Begünstigung seitens der Stadt Hannover wurde der Stadtteil immer interessanter für Immobilienkapitalisten und Spekulanten. Ein wachsender Teil der „Ureinwohner“ Linden-Limmers kann sich das rasante Mietenwachstum nicht mehr leisten und wird verdrängt. Die „Normalbewohner“ des Stadtteils müssen den „urbanen Mittelschichten“ Platz machen, die sich gerne einen ökologisch-schicken Lifestyle im hippen „Kiez“ gönnen.
Als Wohngebietsgruppe widmen wir uns diesem Konflikt und setzen unsere politischen Schwerpunkte darauf, den weiteren Abbau der Infrastruktur im Stadtteil sowie die vorangetriebenen Kürzungen bei Bildung, Kultur und Sport zu verhindern und uns dem Mietenwahnsinn entgegenzustellen. Damit stellen wir uns bewusst gegen das hiesige Grünen-Klientel. Mit unserer Veranstaltung wollten wir die „Normalbewohner“ ansprechen und in Erfahrung bringen, was sie als drängendste Probleme ihrer Stadt und ihres Stadtteils wahrnehmen.
UZ: Alternativ: Wie ist die Veranstaltung gelaufen?
Steffen Friedrich: Nach einer gelungenen Bewerbung der Veranstaltung über Plakate, Flyer und Zeitungsankündigungen kamen über 20 Besucher zur Veranstaltung, größtenteils mit kommunistischem „Erstkontakt“. Das Hauptaugenmerk lag auf den steigenden Mietpreisen und der dadurch resultierenden Verdrängung. Auch die Linden-spezifischen Themen wie das „Ihme-Zentrum“, eine Betonruine mit Hunderten von Wohnungen und ein Spekulationsobjekt für Investoren, sowie das von der Stadt mitorganisierte „Limmern“ standen im Fokus. Die Limmerstraße in Linden ist zu einer international beworbenen Partymeile geworden, inklusive der Verteuerung des gesamten Lebens und Wohnens im Stadtteil. All diese Punkte wurden von den Teilnehmern als Angriffe auf ihre soziale Lage gewertet und ließen eine Frage immer wieder aufkommen: Wie können wir uns dagegen wehren?
Von unserer Seite aus gelang es, auf die gewollten Erschwernisse für den demokratischen Widerstand unter einer bürgerlichen Herrschaft hinzuweisen und zu erklären, wie wir Kommunisten in heutiger Zeit Möglichkeiten politischer Einflussnahme einschätzen. Zum Beispiel kann man die Gemeinwohlorientierung der Anstalten öffentlichen Rechts, die über die Aufsichtsratsmitglieder aus der Stadtpolitik unter „demokratischer Kontrolle“ stehen, über die Bezirksräte einfordern. Das hat Potential für die Bildung von Aktionseinheiten, die anhand von tatsächlichen Möglichkeiten der demokratischen Einflussnahme den politischen Kampf erlernen.
UZ: Wie wollt ihr nach diesem Auftakt weitermachen?
Steffen Friedrich: Da das Thema Wohnen und die Frage, wie sich Widerstand formieren kann, auf Interesse stieß, wird sich der nächste öffentliche Gruppenabend um den Gemeindebau in Wien und die Frage drehen, welche Lehren wir heute daraus ziehen können. Uns ist dabei auch wichtig, zu erkennen, welche Funktionen wir als Wohngebietsgruppe eigentlich haben und was wir mit unseren Kräften leisten können. Im Zuge der Öffentlichkeitsarbeit wollen wir herausarbeiten, wie wir als erfahrene Klassenkämpfer von der Bevölkerung wieder als verlässliche Ratgeber und Mitstreiter im Kampf gegen Sozialkahlschlag, den Abbau demokratischer Rechte und die ausbeuterische und kriegstreiberische Zeitenwendepolitik wahrgenommen werden können.