Ukrainische Armee setzt Beschuss von AKW Saporischja fort. Russland ruft UN-Sicherheitsrat an

Kiew riskiert zweites Tschernobyl

Auch am Dienstag setzte die ukrainische Armee ihre Angriffe auf das Atomkraftwerk (AKW) Saporischja fort, beschuldigte aber erneut russische Truppen, sich dort selbst zu beschießen. Am 22. Juli hatte sich das Kiewer Militär noch gerühmt, die Umgebung des AKW mit einer Drohne angegriffen zu haben und stellte ein Video der Attacke ins Internet (siehe kurzelinks.de/ukrainetwitter). Seit Anfang August behauptet Kiew jedoch, Russland beschieße die Anlage. Moskau gibt an, deren Sicherheit mit der Stationierung von Militär seit März zu gewährleisten. Die etwa 11.000 Mitarbeiter des AKW arbeiten seither unter russischer Aufsicht, die Elektrizität wird an die Ukraine geliefert. Moskau stimmte am 3. Juni einer Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) zu, die aber in letzter Minute von UN-Behörden abgesagt wurde.

Wegen der vermehrten Attacken auf das AKW beantragte Russland eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats und legte dort am 11. August Daten und Umfang der ukrainischen Angriffe dar. Die Vertreter der westlichen Staaten behaupteten, allein Russland habe dort „Risiken” geschaffen. Das ist auch die Sprachregelung westlicher Medien. Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja fragte daraufhin: „Meinen Sie, dass die Beschießung eines Kernkraftwerks durch die ukrainischen Streitkräfte eine Reaktion auf die von Russland geschaffenen Risiken ist? Das ist eine surreale und fehlerhafte Logik, auch wenn wir das nicht anders erwarten würden.” Keiner der westlichen Diplomaten beschuldigte allerdings Russland, sich selbst zu beschießen, das blieb allein dem Vertreter Kiews vorbehalten.

International steigt die Furcht vor der Gefahr eines GAU wie beim AKW Tschernobyl 1986. Am 19. August bekräftigten zum Beispiel die Präsidenten Russlands und Frankreichs, Emmanuel Macron und Wladimir Putin, in einem Telefonat die Notwendigkeit einer IAEA-Inspektion vor Ort. Paris räumte aber ein, das Problem sei die Anfahrt über von Kiew kontrolliertes Territorium. Am 21. August riefen Macron, Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Präsident Joseph Biden und der noch amtierende britische Premierminister Boris Johnson zur „militärischen Zurückhaltung“ am AKW und zu einer IAEA-Inspektion auf. Am selben Tag verkündeten zwei Abgeordnete aus den USA (Adam Kinzinger, Republikaner) und Britannien (Tobias Ellwood, Konservative), ein GAU am AKW Saporischja rechtfertige das Inkrafttreten von Artikel 5 des NATO-Vertrages, das heißt das militärische Eingreifen des Kriegspaktes.

Angesichts der Lage beantragte Russland für den 23. August erneut eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates, die nach UZ-Redaktionsschluss beginnen sollte.

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"Kiew riskiert zweites Tschernobyl", UZ vom 26. August 2022



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