Vor über einem Jahr, am 12. Februar 2015, unterzeichneten die Vertreter der Kiewer Regierung und der ostukrainischen Volksrepubliken das Abkommen „Minsk II“. Der Inhalt: Ein Katalog von Maßnahmen, um das „Protokoll von Minsk“ vom September 2014 umzusetzen und den Krieg in der Ukraine zu beenden. Die Präsidenten von Russland und Frankreich, Putin und Hollande, und die deutsche Kanzlerin Merkel waren an den Verhandlungen beteiligt.
Die Maßnahmen von „Minsk II“ sollen eine politische Regelung des Konflikts im Donbass möglich machen. Diese Punkte hätten in einer genau festgelegten Reihenfolge bis Ende 2015 umgesetzt werden müssen. Inzwischen zeigt sich: Die Putschistenregierung in Kiew blockiert eine Lösung. Sie führt seit April 2014 Krieg gegen die beiden Volksrepubliken von Donezk und Lugansk, die sich im Osten der Ukraine gebildet hatten. Dieser so genannten „Anti-Terror-Operation“ sind etwa 4 000 Menschen zum Opfer gefallen, große Teile der zivilen Infrastruktur wurden zerstört.
Ein erster Komplex von „Minsk II“ umfasst einen Waffenstillstand und den Abzug aller schweren Waffen von beiden Seiten unter Kontrolle der OSZE. Dieser Waffenstillstand hat zu einem Nachlassen der ukrainischen Angriffe auf Städte im Donbass geführt. Einen vollständigen Waffenstillstand hat es jedoch nie gegeben. Immer noch beschießt die Armee Wohngebiete und öffentliche Einrichtungen – auch zu Zeitpunkten, zu denen in Minsk vereinbarte Reparaturen in der Nähe der Front durchgeführt werden.
Einmal abgezogene Waffen der ukrainischen Streitkräfte bleiben nicht an den Abzugsorten. Dies geht selbst aus den OSZE-Berichten hervor, obwohl die OSZE in vielen Fällen ukrainische Angriffe und Provokationen ignoriert. Besonders deutlich wurde das bei der Besetzung von acht Ortschaften in der Pufferzone durch ukrainische Truppen im Januar 2016.
Ein zweiter Komplex umfasst die politische Regelung des Konflikts: Eine neue ukrainische Verfassung mit weitreichender Dezentralisierung. Diese Verfassung soll dauerhaft festschreiben, dass der Donbass weitreichende Rechte zur Selbstverwaltung erhält – einschließlich eigener bewaffneter Strukturen, die nicht der Zentralregierung unterstehen. Außerdem sieht das Abkommen vor, das Verfahren für Kommunalwahlen in den Gebieten der Volksrepubliken neu zu regeln. Entscheidend ist, dass diese Regelungen zwar von der Obersten Rada, dem Parlament der Ukraine, beschlossen, jedoch mit den Vertretern der Volksrepubliken abgestimmt werden müssen. Der Maßnahmenkatalog zur Umsetzung der Minsker Vereinbarung schreibt also einen unmittelbaren Dialog zwischen Kiew und den Volksrepubliken zwingend vor, der im Rahmen einer Kontaktgruppe in Minsk stattfindet. Bisher gibt es zahlreiche Vorschläge der Volksrepubliken für Gesetze und Verfassungsänderungen, die bereits angesetzten Kommunalwahlen wurden verschoben, um den Verhandlungsprozess nicht zu behindern. Kiew ist jedoch nicht bereit in eine Diskussion darüber einzutreten. Die Regierung hat stattdessen ohne Dialog versucht, Beschlüsse in der Rada zu fassen, die für die Volksrepubliken nicht akzeptabel gewesen wären. Verhindert wurden diese Beschlüsse durch nationalistische Kräfte, die ein noch härteres Vorgehen gegen die Volksrepubliken verlangen. Umgekehrt fordert Kiew die Kontrolle über die Grenze zwischen der Ostukraine und Russland. Das wäre aber erst der letzte Schritt, nachdem alle anderen Teile des Minsker Prozesses abgeschlossen sind.
Ein dritter Komplex des Maßnahmenkatalogs umfasst die Aufhebung der Wirtschaftsblockade der Volksrepubliken durch die Ukraine, einschließlich der Wiederherstellung des ukrainischen Bankensystems, das derzeit in den Volksrepubliken gar nicht mehr existiert, und die Zahlung von Renten und Sozialleistungen durch die Ukraine. Davon ist bisher nichts erfolgt, die Renten werden an Einwohner des von den Volksrepubliken kontrollierten Territoriums trotz eines entsprechenden Beschlusses des ukrainischen Verwaltungsgerichts nicht gezahlt. In den Volksrepubliken wurde inzwischen ein eigenes Rentensystem und ein eigenes Bankwesen aufbaut.
Ein vierter Komplex betrifft schließlich humanitäre Regelungen. Festgelegt ist, dass die Oberste Rada ein Amnestiegesetz für die an der Auseinandersetzung Beteiligten beschließt. Dies ist nicht erfolgt. In der Ukraine gibt es im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung im Donbass über tausend Gefangene. Mehr als die Hälfte von ihnen sind politische Gefangene, die anderen sind Soldaten und unbeteiligte Zivilisten. In den Volksrepubliken gibt es nur einige Dutzend gefangene ukrainische Soldaten. Zum Austausch ist die ukrainische Regierung nur in Einzelfällen bereit, während die Volksrepubliken mehrfach als Zeichen guten Willens einseitig größere Gruppen ukrainischer Soldaten freiließen.
Selbst die deutsche Bundesregierung, die zusammen mit der französischen und der russischen Regierung unmittelbar an dem Regulierungsprozess beteiligt ist, gibt inzwischen in einigen Punkten zu, dass die Kiewer Regierung ihren Verpflichtungen nicht nachkommt.
Der vollständige Katalog von „Minsk II“ ist dokumentiert auf news.dkp.de.