Zum Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst

Keine Wertschätzung

Philipp Ahnert

Trotz des bejubelten Tarifabschlusses des VKA und der Gewerkschaft ver.di bleiben bei den Beschäftigten viele Fragen offen. Zunächst wirkt der Abschluss als ausgesprochen gut, die angepriesenen Erhöhungen scheinen enorm und die versprochenen Boni außerordentlich spendabel.

Der Schein trügt jedoch, denn bei genauerem Betrachten wird klar, dass beispielsweise in diesem Jahr gar keine Erhöhung stattfindet und die Beschäftigten dadurch Minus machen. Erst ab dem April des Folgejahres sollen die Löhne steigen.

Es soll noch in diesem Jahr eine „Corona-Prämie“ zusätzlich zu der bereits erhaltenen Prämie ausgezahlt werden. Diese ist mit höchstens 600 Euro nicht ansatzweise etwas, dass man in Anbetracht des täglichen Wahnsinns Wertschätzung nennen könnte. Zudem trägt dies auch zu keiner Lösung für alle bei, denn einige dieser vertraglichen Inhalte betreffen nur einen Teil der Belegschaft, was auch mitunter an ausgegliederten Servicebereichen liegt, in denen der TVöD nicht gilt. Ausgenommen ist dabei zum Beispiel das Personal aus dem Hausservice, dem Transportdienst oder den Laboren. Dies sorgt für immensen Frust bei den benachteiligten Kolleginnen und Kollegen und treibt einen Keil in die Belegschaft.

Das Personal soll wieder mit geschönten Zahlen und Entschuldigungsgesuchen durch die Arbeitgeber mit Fingerzeig auf die angeblich leeren Kassen abgespeist werden. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, beispielsweise durch eine angemessene Personalbemessung oder eine bedarfsgerechte Krankenhausfinanzierung, ist für sie keine Option. Doch genau solche Änderungen sind essentiell, um eine humane Gesundheitsversorgung sicherzustellen und für die Zukunft aufrecht zu erhalten.

Die Tarifrunde hat allerdings auch gezeigt, dass die Solidarität wächst, die Notwendigkeit des Arbeitskampfes zunehmend erkannt wird und alle Beteiligten erlebt haben, dass sie gemeinsam etwas Zukunftsorientiertes erreichen können. Auch wenn sich die Bedingungen durch den neuen Abschluss nicht verbessern, umso stärker wird die Belegschaft sich formieren, um ihren begonnen Arbeitskampf fortzuführen und diesen auf lange Sicht in ihrem Sinne zu entscheiden.

Unser Autor arbeitet als Gesundheits- und Krankenpfleger in Nürnberg

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Keine Wertschätzung", UZ vom 6. November 2020



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Herz.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit