Die Große Koalition will das Pflegeberufegesetz offenbar ohne weitere Diskussion beschließen lassen

Keine weitere Anhörung

Von nh

Am 31. Mai lehnten die Vertreter der Regierungsparteien auf einer Sitzung des Gesundheitsausschusses des Bundestags die Forderung der Oppositionsparteien nach einer erneuten öffentlichen Anhörung zum Kompromiss bei der Pflege-Ausbildung (Pflegeberufereformgesetz) ab.

„Abgewürgt“ nannte das danach Elisabeth Scharfenberg, Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik der Grünen, in einer Presseerklärung. „Trotz der zweimal verlängerten Sitzung konnten oder wollten Union und SPD und auch die Vertreter des Gesundheitsministeriums zentrale Aspekte nicht erörtern“, erklärte sie zudem der „Ärzte-Zeitung“. Dabei hatte der Ausschuss noch eine Woche zuvor extra einen „Vorratsbeschluss“ für eine erneute Anhörung gefasst. Scharfenberg: „Bei einem so tiefgreifenden Gesetz auf Transparenz und demokratische Verfahren zu pfeifen, ist ein fragwürdiger Vorgang.“

Doch empört sind nicht nur die Vertreter der Grünen und der Linkspartei. Das Gesetzgebungsverfahren war über lange Monate verschleppt worden. Dann einigte man sich in der Großen Koalition auf einen Kompromiss. Der aber wird von den Oppositionsparteien im Bundestag, aber auch von Verbänden und Unternehmen der Altenpflege, als unzureichend kritisiert.

Bereits im Januar waren jedoch die Fraktionen der Linkspartei und der Grünen im Bundestag mit ihren Anträgen zum Pflegeberufereformgesetz gescheitert. Die Fraktion der Partei „Die Linke“ hatte damals in ihrer Vorlage eine Modernisierung der Pflegeausbildung gefordert. Derzeit bestünden mit der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege drei voneinander losgelöste Ausbildungen, die besser miteinander verbunden und an neue Entwicklungen angepasst werden müssten. In der Altenpflege würden zunehmend Qualifikationen aus der Krankenpflege notwendig. Umgekehrt seien in der Krankenpflege verstärkt Qualifikationen aus der Altenpflege unentbehrlich. Dabei plädierten die Vertreter der Linkspartei in ihrer Vorlage nicht für eine „generalistische“ Pflegeausbildung wie die Union und die SPD, sondern für eine integrierte Pflegeausbildung innerhalb einer mindestens dreijährigen dualen Ausbildung. Spezifische Fachkenntnisse könnten für die verschiedenen Pflegebereiche durch eine mindestens einjährige Schwerpunktsetzung erworben werden. Die Grünen hatten vorgeschlagen, Pflegeberufe aufzuwerten, um mehr Menschen für die berufliche Pflege zu gewinnen. In ihrem Antrag kritisierte die Fraktion die von der Bundesregierung mit dem Pflegeberufegesetz geplante generalistische Pflegeausbildung, die lediglich Vertiefungseinsätze in den einzelnen Fachgebieten vorsehe: Dies werde den Anforderungen nicht gerecht. Konkret forderte die Fraktion, das Gesetzgebungsverfahren so lange auszusetzen, bis endgültige detaillierte Verordnungen vorlägen. Unklar sei beispielsweise, warum die generalistische Ausbildung immer möglich sein solle, die Altenpflege-Ausbildung aber nur dann, wenn sich ein Azubi bereits zu Beginn der Ausbildung für einen sogenannten „Vertiefungseinsatz“ entscheide.

Laut vorliegendem Gesetzentwurf sollen nun die generalistische und die integrative Ausbildung parallel getestet werden. Dabei ist nicht klar, wie das konkret laufen soll und ob die Alten- und Kinderkrankenpflege letzten Endes erhalten bleiben.

Das Bündnis für Altenpflege, ein Zusammenschluss von Berufs-, Schul- und Fach- sowie Leistungserbringerverbänden, das über 70 Prozent aller Altenpflegeeinrichtungen und Dienste in Deutschland vereint, befürchtet, dass eine generalistische Ausbildung mit Blick auf die pflegerischen Herausforderungen der Zukunft fachlich der falsche Weg sei. Das könnte den ohnehin schon vorhandenen Fachkräftemangel vor allem in der Altenpflege weiter befördern. Menschen, die nur einen Hauptschulabschluss hätten, sich aber für eine berufliche Laufbahn in diesem Bereich interessieren, könnten durch die von der Koalition geplante generalistische Ausbildung überfordert sein. Zudem solle das Altenpflegegesetz mit seinen eigenständigen inhaltlichen Regelungen „außer Kraft treten, und in der Folge wird die Altenpflege zu einer Berufsbezeichnung ohne Inhalte verkommen“, so die Prognose von Peter Dürrmann, Sprecher des Bündnisses für Altenpflege, der vor der Sitzung des Ausschusses und der sehr bald möglichen Abstimmung über den Gesetzesentwurf im Bundestag gleichfalls dringend eine erneute Anhörung forderte.

Doch das Gesetz soll offenbar noch vor der Sommerpause des Bundestages und vor Ende der Legislaturperiode durch die Mehrheit im Bundestag beschlossen werden, ist es vielleicht bereits, wenn diese Ausgabe der UZ ihre Leserinnen und Leser erreicht. Offensichtlich geht es darum, im Bundestagswahlkampf auf das „Erreichte“ verweisen zu können. Daran haben alle Koalitionspartner ein Interesse. Egal, ob die durchgedrückte Entscheidung völlig unzureichend ist und viele Fragen wie Sorgen bislang nicht ausgeräumt sind.

Über 130 000 Menschen absolvieren jährlich eine Ausbildung im Pflegebereich, weit über eine Million Menschen sind in einem Pflegeberuf tätig, viele Millionen hoffen und brauchen gut ausgebildete und – nicht nur – fachlich kompetente Pflegekräfte.

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"Keine weitere Anhörung", UZ vom 9. Juni 2017



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