Fast zwei Millionen Menschen auf den Barrikaden, BlackRock-Zentrale gestürmt, Macrons Lieblingsrestaurant angezündet: 93 Prozent der Franzosen lehnen die am Parlament vorbei per Dekret erlassene „Rentenreform“ Emmanuel Macrons ab. Das haben sie auch am 6. April gezeigt, dem elften landesweiten Aktionstag der Gewerkschaftsverbände in diesem Jahr.
Die Streikenden fordern von der Regierung, ihre „Reform“ zurückzunehmen. Dafür gingen 400.000 Menschen in Paris auf die Straße, 170.000 in Marseille. Mit jeweils über 20.000 Teilnehmern gab es auch in kleineren Städten wie Caen und Montpellier eindrucksvolle Demonstrationen. Selbst in Dörfern in der Bretagne und im Nordosten kam es zu spontanen Protestaktionen.
Tags zuvor hatten Vertreter der Gewerkschaftsverbände Premierministerin Élisabeth Borne getroffen. „Wir haben der Premierministerin noch einmal gesagt, dass es keine andere demokratische Lösung gibt als das Zurückziehen des Gesetzes“, heißt es in einer Pressemitteilung der Intersyndicale, des informellen Zusammenschlusses sämtlicher französischer Gewerkschaftsverbände. Das Treffen dauerte nur wenige Minuten. Borne beschied die Gewerkschaftsvertreter brüsk, dass sie nicht vorhabe, die „Reform“ zurückzunehmen. Also geht der Kampf in den Betrieben und auf der Straße weiter. „Es wird keine Waffenruhe geben, keine Pause und auch keine Vermittlungsversuche“, erklärte die neue CGT-Generalsekretärin Sophie Binet anschließend.
Macron scheint fest gewillt, seinen Angriff auf die Rente mit Gewalt durchzusetzen. In Paris hetzt Innenminister Gérald Darmanin regelmäßig die Motorradkavallerie Brav-M auf Demonstranten. Diese Repressionsbrigade macht ausgiebig Gebrauch von ihren Schlagstöcken und Tränengas-Granaten und nimmt willkürlich Demonstranten fest. Anfang vergangener Woche wies der Sicherheitsausschuss des Parlaments eine Petition zur Abschaffung von Brav-M mit 260.000 Unterschriften zurück – ohne Debatte, mit den Stimmen der Regierung und der rechten Opposition.
Macron flankiert die brutale Repression mit gesetzlichen Angriffen auf das Streikrecht. Der jüngste davon: Das Kasbarian-Bergé-Gesetz, „Anti-Squat“ genannt, kriminalisiert Besetzungen leerstehender Häuser sowie Mieter in Zahlungsschwierigkeiten. Und nach einigen Nachschärfungen im Parlament nun auch die Besetzung jeglicher „wirtschaftlich genutzter Orte“. Der Gesetzesentwurf sei eine Provokation, sagt der Gewerkschaftsverband CGT, weil er kollektive Aktionen der Beschäftigten unmöglich mache, werde er verabschiedet. Auf die Besetzung eines Betriebs stünden dann zwei Jahre Haft plus Geldstrafe von 30.000 Euro. Alleine die mediale Ankündigung eines Streikpostens werde eine Strafe in Höhe von 3.750 Euro nach sich ziehen.
Die Gewerkschaften mobilisieren zum nächsten Aktionstag am Donnerstag dieser Woche (nach Redaktionsschluss) – nun auch gegen das Anti-Squat-Gesetz. Tags darauf wird der Verfassungsrat entscheiden, ob die „Rentenreform“ legal ist. Nach der Entscheidung beraten sich die Gewerkschaftsführungen. Ihr Ziel bleibt klar: die Rücknahme der „Reform“.