„Friedensantrag“ an den ver.di-Bundeskongress

Keine Waffen, kein Krieg

Das Dringendste, was die Menschen im Kriegsgebiet brauchen, sind ein Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Es braucht zudem weitere und umfangreichere öffentliche Aktionen für ein Ende der Waffenlieferungen und sofortige Friedensverhandlungen. Wir müssen die Herrschenden und ihre Regierungen zum Abbruch der mörderischen Auseinandersetzungen bringen. Ohne unseren Druck werden sie es nicht tun. „In den Schützengrabenkrieg müssen zumeist nicht die Kinder der Reichen – und wenn, dann bilden sie die Offizierskader –, sondern in die Schützengräben müssen die sozial Schwachen, und das hieß bei uns vorwiegend: die Arbeiter- und Bauernbuben. Und selbst bei den zivilen Opfern, welche vorwiegend Frauen und Kinder einschließen, ist die soziale Verteilung eine schiefe“, schrieb die „Wiener Zeitung“ Anfang Mai.

Nicht die Söhne und Töchter der herrschenden und der oberen Mittelklasse sterben auf den Schlachtfeldern der Profiteure, sondern die Söhne und Töchter der Arbeiterklasse. Deswegen ist es unsere Aufgabe als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, für diese Forderung beständig zu werben und zu mobilisieren. Wer, wenn nicht wir, wird diese Aufgabe erfüllen können. Wir haben uns zum Schutz vor Ausbeutung aller arbeitenden Menschen auf der Welt organisiert. Gegen Ausbeutung von Menschen und Umwelt – und gegen Mord.

Das aber leistet der Antrag „Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung in einer Welt im Umbruch“ des Bundesvorstands und des Gewerkschaftsrats zum kommenden ver.di-Bundeskongress nicht. Allein der Satz „Das Wohl der eigenen Bevölkerung darf nicht gefährdet werden“ ist zutiefst nationalistisch. Denn was ist mit dem Wohl unserer Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern? Interessiert uns nicht, wie sie unter den Waffen leiden, die von unserer Regierung geliefert werden? „Ungebrochen solidarisch“ – unter diesem Motto sind wir am 1. Mai auf die Straße gegangen. Wie weit geht unsere Solidarität? Hört sie an den Grenzzäunen der EU auf?

„Ungebrochen solidarisch“ heißt für uns: sofortiger Stopp jeder Kriegshandlung auf beiden Seiten. Keine Waffenlieferungen, Waffenstillstand sofort, Vereinbarungen über lokale Kampfpausen. So hatte es auch die damalige italienische Regierung im Mai vergangenen Jahres vorgeschlagen.

„Ungebrochen solidarisch“ heißt auch: Keine Wirtschaftssanktionen, die bei Millionen Menschen in anderen Ländern zu einem niedrigeren Lebensstandard, zu Hunger und materiellem Elend führen.

Großbrände, zerstörte Staudämme und Pipelines mögen die Finanz-, Profit- und Machtkonstellationen zugunsten „unserer“ herrschenden Klasse verschieben, sie haben aber katastrophale Auswirkungen auf uns und unsere Umwelt. Das betrifft unsere Brüder und Schwestern, unseren Kolleginnen und Kollegen sowohl diesseits als auch jenseits der Grenzen.
Ein solcher Antrag wie der vom ver.di-Bundesvorstand und -Gewerkschaftsrat, der diese Ansichten nicht in sich trägt, kann nur zur Gänze abgelehnt werden. Hunderte Friedensvorschläge, die es zu beleuchten gälte, fehlen völlig. Kein Wort von der Friedensinitiative der VR China direkt nach Kriegsbeginn. Kein Wort von den Bemühungen der afrikanischen Delegationen, die nach Kiew und Moskau gereist sind.
Es gibt richtige und wichtige Punkte im Antrag, wenn auch wenige. Zu nennen sind die Ablehnung der 2-Prozent-Erhöhung des Militäretats, der Kriegskredite von 100 Milliarden Euro, der atomaren Teilhabe oder die Forderung nach Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrages durch die deutsche Bundesregierung. Diese Punkte sind auch in anderen Anträgen aus den Landesbezirken enthalten. An diesen Stellen können sie dann umfassend diskutiert werden.

Wird aber dem vorgelegten Antrag des Bundesvorstands zugestimmt, sind alle die guten, menschenfreundlichen, „ungebrochen solidarischen“ Anträge mit dem Leitantrag „erledigt“. Eine notwendige, ausführliche und gut argumentierte Diskussion über die aktuelle Friedenssituation wäre damit erdrosselt. Es gibt aus meiner Sicht nur eine Möglichkeit, dies zu verhindern: Nicht zu versuchen, den Antrag des Bundesvorstands an dieser oder jener Stelle zu verbessern, sondern ihn abzulehnen und eine offene, konstruktive, auch kontroverse Diskussion unter den Delegierten anhand der vorliegenden Anträge zu ermöglichen.

Auszug aus dem Antrag „Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung in einer Welt im Umbruch“ (Stand 21. 4. 2023)
(…) Die Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen die russischen Angriffe und ihrem Bemühen um Wiederherstellung territorialer Integrität auch mit militärischem Material wie Waffen aus den Reihen der NATO-Mitglieder zu unterstützen, ist völkerrechtlich zulässig und eine Unterstützung der Angegriffenen, die es ihnen ermöglicht, sich weiter zu verteidigen. Zugleich ergibt sich daraus für die unterstützenden Staaten wie Deutschland eine besondere Verantwortung, mit Blick auf Art, Umfang und Schwere des gelieferten militärischen Materials, nicht selbst zu einer Kriegspartei in diesem Konflikt zu werden. Das Wohl der eigenen Bevölkerung darf nicht gefährdet werden. (…)

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"Keine Waffen, kein Krieg", UZ vom 23. Juni 2023



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