Rund 4.000 Menschen haben am vergangenen Samstag in Wiesbaden gegen die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in der BRD ab 2026 demonstriert. Zu der Demonstration unter dem Motto „Keine neuen US-Mittelstreckenraketen in Deutschland, Befehlskommando in Wiesbaden auflösen, Friedensgebot der Hessischen Verfassung einhalten!“ hatten das Wiesbadener Bündnis gegen Raketenstationierung, die Initiative „Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder“ und die Kampagne „Friedensfähig statt erstschlagfähig. Für ein Europa ohne Mittelstreckenwaffen“ aufgerufen. Durch Wiesbaden zog ein breites, überparteiliches Bündnis.
Die Auftaktkundgebung am Wiesbadener Hauptbahnhof bestritten lokale Akteure. Jan Menning, Mitglied der DFG-VK, stellte das neue Wiesbadener Bündnis gegen Raketenstationierung vor, das im Vorfeld der Demo eine Podiumsdiskussion dazu organisiert hatte (UZ vom 21. Februar 2025), und betonte: „Wir wollen keine Angriffswaffen – weder amerikanische noch europäische!“ Hartmut Bohrer, Ortsvorsteher von Mainz-Kastel, erläuterte die Rolle des NATO-Hauptquartiers seit dessen Umzug von Heidelberg nach Wiesbaden. Er forderte unter Applaus die „Schließung des Militärgeländes und Übergabe zur zivilen Nutzung“, um so mehr, als dieses mitten in einem Wohngebiet liege. Außerdem sei er den „Mayors for Peace“, den „Bürgermeistern für den Frieden“, beigetreten.
Zwischenzeitlich versammelten sich etwa 1.000 Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz. Nach einem musikalischen Beitrag der Gruppe Lebenslaute zog die Demonstration los. Mit Musik und Parolen wie „Wir wollen frei von Atomwaffen sein“ fiel die Demo in der Innenstadt auf. Gut sichtbar waren Teilnehmer aus DKP und SDAJ vertreten – der Jugendverband vor allem mit Forderungen nach besserer Bildung und mehr Lehrstellen. Auch Linkspartei und BSW stachen in dem Zug ins Auge. Sichtbar vertreten waren auch IPPNW, attac und VVN-BdA. Die Rechten, vor denen das Wiesbadener Bündnis gegen Rechts und andere Akteure gewarnt hatten, waren nicht zu sehen.
Bis zur Abschlusskundgebung am Kranzplatz war der Zug auf 4.000 Menschen gewachsen. Hier stand die Weltpolitik im Fokus, angefangen mit der US-Friedensaktivistin Ann Wright. Die heute 78-Jährige war Oberst der US Army und Diplomatin, bis sie vor 22 Jahren aus Protest gegen den Irak-Krieg von ihren Regierungsämtern zurücktrat. Sie stellte sich als „Veteran against Genocide“ vor, auch im Hinblick auf den Gaza-Krieg, und sprach über die endlosen Kriege der USA. Özlem Alev Demirel (MdEP, „Die Linke“) erinnerte daran, dass es tatsächlich „um Geopolitik, Handelsrouten und Märkte“ gehe. Unter großem Beifall rief sie: „Ich möchte nicht, dass meine Brüder und Schwestern im Kampf um Märkte sterben!“ Michael von der Schulenburg (MdEP, BSW) sprach über den ungeheuren Vertrauensbruch des Staates gegenüber seinen Bürgern. Die Raketen, die in Wiesbaden stationiert werden sollen, könnten Moskau binnen sieben Minuten erreichen. Von der Schulenburg hofft auf einen Waffenstillstand in der Ukraine zu Ostern. „Warum sind wir Europäer dazu nicht in der Lage?“, fragte der EU-Parlamentarier. „Warum brauchen wir einen Trump?“
Regina Hagen von der Kampagne „Friedensfähig statt erstschlagfähig“ schilderte plastisch, was Mittelstreckenwaffen anrichten können. Unsere Sicherheit werde nicht durch deren Stationierung, sondern durch deren Abbau garantiert. Das habe der INF-Vertrag gezeigt, zu dem wir zurück müssten.
Als letzter Redner trat Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde, auf. Er sprach für die Initiative „Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder“. Müller gemahnte, zum „gemeinsamen Haus Europa“ gehöre auch Russland, und unterstrich die Zusammenhänge zwischen Klimakatastrophe und Kriegen.
Andrea Hornung, Bundesvorsitzende der SDAJ, moderierte die Abschlusskundgebung souverän. Sie rief die Teilnehmer auf, aktiv zu bleiben und ihr Nein zu Mittelstreckenwaffen laut erklingen zu lassen: auf den Ostermärschen, am 1. Mai und am 8. Mai, dem Tag der Befreiung Deutschlands vom Nazi-Faschismus.
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