Syrien beendete Hinhaltetaktik der Türkei mit Angriff auf Militärkonvoi

Keine Unterstützung

Von Manfred Ziegler

In der Deeskalationszone um Idlib – sie umfasst auch Teile der syrischen Provinz Hama – hat die syrische Armee umgesetzt, was eigentlich Aufgabe der türkischen Regierung gewesen wäre: Die Dschihadisten der Hai at Tahrir asch-Scham wurden aus einem Teil der Deeskalationszone vertrieben. Die türkische Regierung hatte mit der andauernden Unterstützung der Dschihadisten den Bogen überspannt. Ihre Hinhaltetaktik fand mit den Angriffen der syrischen Armee ein jähes Ende. Ein türkischer Militärkonvoi, der Dschihadisten im Süden der Deeskalationszone unterstützen sollte, wurde von der syrischen Luftwaffe angegriffen – ein bis dahin einmaliger Vorgang.

Als die Deeskalationszonen in Syrien eingerichtet wurden, galten sie als eine vorübergehende Maßnahme. Die Dschihadisten sollten ihre schweren Waffen aus diesen Gebieten abziehen, die Zivilbevölkerung sollte vor weiteren Angriffen geschützt werden. Die Türkei hatte die Verantwortung für die Deeskalationszone um Idlib. Sie richtete dort militärische Stützpunkte ein – die Dschihadisten aber zogen sich nie zurück. Im Gegenteil: Sie organisierten im Schutz der türkischen Armee Angriffe auf Gebiete außerhalb der Deeskalationszone.

Die Türkei folgte dabei dem Beispiel der USA. Jahrelang hatten die USA versprochen, sogenannte „gemäßigte Rebellen“ von den schwer bewaffneten terroristischen Gruppen zu trennen – es geschah nie. Bis dann jeweils die syrische Armee die Dschihadisten vertrieb.

Die Türkei beschwerte sich bei Russland über die Angriffe der syrischen Luftwaffe auf ihren Militärkonvoi, wurde aber abgewiesen. Russland unterstützt den Kampf der syrischen Armee gegen die terroristischen Gruppen, die 90 Prozent der Provinz Idlib kontrollieren. Und hatte die Türkei über Monate darauf hingewiesen, dass sie ihre Aufgaben in der Deeskalationszone umsetzen müsste.

Lange konnte die Türkei ihre mehrdeutige Politik erfolgreich umsetzen. Kauf des russischen Luftabwehrsystems S-400 – und doch Mitglied der NATO. Beste Beziehungen zum Iran und Russland – und doch im Krieg gegen Syrien auf der anderen Seite. Drohungen, den Norden Syriens zu besetzen – aber nicht ohne Einwilligung der USA. Die türkische Regierung versuchte, mehrere Seiten gegeneinander auszuspielen. Der syrische Angriff zeigte jetzt die Schwäche dieser Politik. Die Türkei wurde von keiner Seite unterstützt.

Innerhalb kurzer Zeit hat die syrische Armee eine Reihe von Gebieten und Orten im Norden der Provinz Hama und im Süden von Idlib besetzt. Der bekannteste davon: Khan Sheikoun. Khan Sheikoun hatte Berühmtheit erlangt, weil die syrische Armee dort angeblich am 4. April 2017 chemische Waffen eingesetzt hatte – ein Vorwurf, der einer Prüfung nicht standhielt. Die USA starteten drei Tage später einen Vergeltungsangriff auf einen syrischen Militärflughafen.

Die syrische Offensive galt Khan Sheikoun indes nicht deshalb, weil es ein symbolträchtiger Ort ist. Vielmehr geht es darum, die Autobahn M5 wieder zu öffnen, die Damaskus, Homs, Hama und Aleppo verbindet. Dies war schon Teil der Übereinkunft, die die Deeskalationszone begründete, wurde aber von der Türkei nie umgesetzt.

Die Gebiete, die die syrische Armee nun kontrolliert, bilden einen Ring um einen der zwölf türkischen Militärstützpunkte in Idlib, den Stützpunkt bei Morek. Das ist für die türkische Regierung eine bittere Niederlage, ist sie doch nun auf den Goodwill von Damaskus angewiesen.

Ein Sprecher des türkischen Außenministeriums erklärte, der Militärstützpunkt werde dennoch nicht verlegt. Wie die Truppen versorgt werden sollen, konnte er nicht erklären.

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"Keine Unterstützung", UZ vom 30. August 2019



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