- Es ist ein Irrtum, wonach Tarifverträge nur für neun Monate vom Equal Pay abweichen können. Auch nach der Novellierung des Gesetzes schafft § 8 AÜG eine Vielzahl von Abweichungen vom Equal Pay für mehr als neun Monate, von denen die Gewerkschaften auch Gebrauch gemacht haben. Vor allem aber muss die meist weit kürzere Überlassungsdauer im Einzelfall beachtet werden, so dass die Neun-Monats-Grenze für die Arbeitgeber meist gar nicht wirksam wird.
- Es ist falsch, dass bei einer Kündigung des Tarifvertrages die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG das Wirksamwerden des gesetzlichen Equal Pay verhindert. Die Nachwirkung tarifvertraglicher Normen beschränkt sich nämlich nur auf die Fälle, in denen nach § 4 Abs. 1 TVG diese „unmittelbar und zwingend“ zwischen den beiderseits Tarifgebundenen gelten, das heißt, in denen Tarifbindung durch gewerkschaftliche Mitgliedschaft vorliegt. In den meisten Fällen wird aber der Tarifvertrag nur wirksam kraft einzelvertraglicher Verweisung und nicht aufgrund einer Tarifbindung. Zudem könnte ohne weiteres in einem neuen Tarifvertrag die Ausnahme vom Equal Pay abgeschafft werden, was die Nachwirkung dann von vornherein ausschließen würde.
- Doch es geht um etwas Grundsätzliches. Mit Tarifverträgen dieser Art wird – anders als dies noch vor 40 Jahren der Fall war – von gesetzlichen Standards abgewichen, statt dass gesetzliche Standards verbessert würden. Dieser Paradigmenwechsel hin zu Tarifverträgen, die schlechter sind als das Gesetz, konterkariert das Verhältnis von Gesetz und Tarifvertrag und stellt den Kampf um bessere Arbeitsbedingungen ganz grundsätzlich in Frage.
- Was vor 40 Jahren in Deutschland nicht existierte – nämlich die Leiharbeit –, kann auch, ohne dass die kapitalistischen Produktionsverhältnisse in Frage gestellt werden, wieder abgeschafft werden. Frankreich macht es uns vor: Dort muss die Leiharbeit zusätzlich (!) vergütet werden und von dieser Vergütung kann auch nicht durch Tarifvertrag abgewichen werden. Deshalb muss die Losung lauten: Keine Tarifverträge in der Leiharbeit.
Dieser Beitrag bezieht sich auf den Artikel „Tarifverhandlungen für Leiharbeiter“ in der UZ vom 6. Dezember 2019