Polen verweigert Lawrow Einreise zum OSZE-Ministerrat. Ukraine kann sich aber mit Ausschluss Russlands nicht durchsetzen

Keine Schönwetterorganisation

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping drängt auf eine Lösung des Kriegs in der Ukraine mit „politischen Mitteln“. Bei einem Besuch von EU-Ratspräsident Charles Michel in Peking sagte Xi in der vergangenen Woche laut dem chinesischen Staatsfernsehen CCTV, die „Krise“ in der Ukraine müsse „im besten Interesse Europas und aller Länder Eurasiens“ gelöst werden. Er warnte vor „allen Formen eines neuen Kalten Krieges“ und erklärte: „Unter den derzeitigen Bedingungen müssen wir eine Eskalation und Ausweitung der Krise vermeiden und auf einen Frieden hinarbeiten.“ Sein Land wolle weiter eine „konstruktive Rolle auf seine eigene Weise“ spielen.

Beim Ministertreffen der zeitgleich tagenden Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) blieb der Appell aus Peking ungehört. Maximale Konfrontation statt Dialog und Diplomatie war im polnischen Lodz Programm. Die Zusammenkunft der Außenminister der 57 OSZE-Mitgliedstaaten musste ohne Russlands Chefdiplomaten Sergej Lawrow stattfinden. Polen, dessen Außenminister Zbigniew Rau derzeit OSZE-Vorsitzender ist, hatte seinem russischen Amtskollegen kurzerhand die Einreise verweigert. Und so gaben dort die antirussischen Falken den Ton an, allen voran die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihr britischer Amtskollege James Cleverly sowie der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Das State Departement in Washington schickte seine Undiplomatin Victoria Nuland („Fuck the EU“) als Abrissbirne.

Eine gemeinsame Erklärung des OSZE-Ministerrats konnten die antirussischen Scharfmacher am Ende nicht erzwingen. Und die Ukraine konnte sich (noch) nicht durchsetzen mit der Forderung, Russland gleich ganz auszuschließen. Doch der Graben wurde erfolgreich vertieft und verbreitert: „Geist und Wortlaut der OSZE-Charta sind zerstört“, bekundete Lawrow in Moskau. Die OSZE werde vom Westen dominiert und habe damit ihre eigene Bedeutung als Vermittlerin verloren. Den USA und der NATO insgesamt warf er eine Kriegsbeteiligung in der Ukraine vor. Mit der Lieferung von Waffen und der Ausbildung ukrainischer Soldaten sei der Westen an dem Konflikt direkt beteiligt, sagte Lawrow bei seiner Pressekonferenz parallel zum Treffen seiner OSZE-Kollegen in Lodz. Russlands OSZE-Vertreter Alexander Lukaschewitsch warf dem „Kollektiven Westen“ eine „räuberische Vereinnahmung“ der Organisation vor, die aus der 1975 etablierten Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) hervorgegangen ist.

Vatikan-Außenminister Richard Gallagher erinnerte derweil an den „Geist von Helsinki“, von Entspannung zwischen Ost und West. Die friedenssichernde Rolle der OSZE sei derzeit in Gefahr, warnte der Kurienerzbischof laut „Vatican News“ in seiner Rede in Lodz. „Dialog verlangt jeder Seite Opfer ab“, so Gallagher. Auch wenn Dialog „weniger glorreich“ wirke als zu kämpfen: Die Resultate seien doch „um vieles besser für alle Beteiligten“. All denen, die meinen, es könne und dürfe mit Russland keine Verhandlungen geben, notwendig und akzeptabel sei allein ein Sieg der Ukraine, schrieb der Diplomat von Papst Franziskus ins Stammbuch: „Während des Kalten Krieges haben sich unsere Vorgänger in Helsinki trotz aller radikalen Unterschiede und der Unvereinbarkeit ihrer Systeme trotzdem an einen Tisch gesetzt und es geschafft, über Themen von gemeinsamem Interesse zu sprechen und um des Gemeinwohls willen Vereinbarungen einzugehen.“ Doch von diesem Weg sei die OSZE-Gemeinschaft abgekommen, beklagte der Vatikan-Emissär. „Je länger die internationale Gemeinschaft eine Antwort auf die drängenden Herausforderungen verschiebt, desto mehr Glaubwürdigkeit wird sie verlieren.“ Man dürfe nicht „bei der Verurteilung von Verbrechen und der Anklage von Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts“ stehenbleiben, so wichtig das auch sei, mahnte Gallagher offensichtlich mit Blick auf den Ukraine-Krieg. „Als eine Organisation, der es um Zusammenarbeit und Sicherheit geht, sollten wir immer einen Schritt weitergehen mit dem Ziel, den Frieden wiederherzustellen.“ Zum Ärger der ukrainischen Führung ruft Papst Franziskus immer wieder zu Gesprächen zwischen Moskau und Kiew auf, bietet sogar beiden Seiten eine Vermittlerrolle des Vatikans an. Für all jene, die allein auf einen Sieg im Stellvertreterkrieg der USA und NATO mit Russland auf ukrainischem Boden setzen, ist all das natürlich Teufelszeug.

„Russland nun aus der OSZE auszuschließen würde keine Abhilfe schaffen“, mahnt auch OSZE-Generalsekretärin Helga Maria Schmid. „Die Gründer der OSZE haben aus gutem Grund keinen Austrittsmechanismus vorgesehen. Die OSZE ist qua Definition eine inklusive Organisation.“ Dialog heiße nicht, „dass wir die Augen verschließen vor Völkerrechtsverletzungen“, bekräftigt die Diplomatin im Interview mit „Karenina“, dem Onlineportal des Petersburger Dialogs. Schmid: „Aus dem Kalten Krieg geboren, ist die OSZE keine Schönwetterorganisation. Wir haben derzeit sehr schwierige Diskussionen, die Gräben sind tief. Aber in der Zukunft werden die einzigartigen Instrumente der OSZE, der umfassende Sicherheitsansatz und die Tatsache, dass Russland und Amerika, Europa und Zentralasien an einem Tisch sitzen, wegweisend sein.“

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"Keine Schönwetterorganisation", UZ vom 9. Dezember 2022



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