Dschihadisten können dank Unterstützung Stellungen im Norden ausbauen

Keine Ruhe für Syrien

Von Manfred Ziegler

Erdogan droht, die syrischen Gebiete östlich des Euphrat zu verwüsten, US-Außenminister Pompeo verkündete, die USA würden nicht ruhen, bis der letzte iranische Soldat aus Syrien vertrieben sei, und die Dschihadisten haben die syrische Provinz Idlib zusammen mit der Türkei nach wie vor fest im Griff. Der Norden Syriens kommt nicht zur Ruhe.

Türkische Truppen sollen eine „Sicherheitszone“ auf syrischem Gebiet einnehmen und die Einheiten der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) daraus vertreiben – das ist die Forderung der türkischen Regierung. Ursprünglich hatte US-Präsident Trump selbst die Vorstellung einer Sicherheitszone formuliert – wie häufig bei ihm per Tweet. Doch die Verhandlungen zwischen der türkischen und der US-Regierung verlaufen ergebnislos.

Im April hatte James Jeffrey, der US-Sondergesandte für Syrien, von den SDF verlangt, eine begrenzte Anzahl von türkischen Truppen auf syrischem Gebiet zuzulassen. Diese Forderung wurde von den SDF zurückgewiesen. Im Juli war wieder eine Delegation unter Leitung von James Jeffrey zu Verhandlungen in Ankara. Doch die US-Regierung kann es sich nicht leisten, ihre Verbündeten der SDF mit der Zustimmung zu einem türkischen Einmarsch zu brüskieren. So blieben die Verhandlungen mit Ankara erneut ergebnislos.

Es bleibt vorerst bei Drohungen wie der von Erdogan, das Gebiet östlich des Euphrat zu verwüsten – gelegentlich verbunden mit Scharmützeln. Bisher dienen die Drohungen der türkischen Regierung auch als Verhandlungsmasse im Streit mit den USA um die Installation der russischen S-400-Luftabwehrraketen.

Während die Türkei mit den USA um Einfluss in den Gebieten östlich des Euphrat streitet, schaffte sie im Norden von Aleppo mit der Besetzung von Afrin und in Idlib schon längst Fakten. Statt wie mit dem Iran und Russland vereinbart die Dschihadisten des Bündnisses Hai’at Tahrir asch-Scham aus Idlib zu verdrängen, rüstet sie sie auf. Die Dschihadisten sind durch die türkische Unterstützung nicht nur in der Lage, Ziele sogar in Aleppo anzugreifen. Sie konnten im Juni Erfolge in einer Offensive erzielen und dadurch Angriffe der syrischen Armee im Südwesten von Idlib verhindern. Die damaligen Erfolge der Dschihadisten sind erst jetzt wieder zunichte gemacht.

Entgegen all der Horrormeldungen über die humanitäre Katastrophe wegen eines Angriffs der syrischen Armee auf Idlib finden die Kämpfe in den Gebieten statt, aus denen die Dschihadisten sich eigentlich hätten zurückziehen müssen. Das sind Gebiete in Idlib ebenso wie in angrenzenden Gouvernements. Dank der Unterstützung durch die türkische Regierung konnten sie hier ihre Stellungen ausbauen.

Wieder aktiv sind in Idlib die „Weißhelme“, die die Dschihadisten medial unterstützen. Sie verbreiten Berichte über Luftangriffe auf Krankenhäuser und Schulen und beschreiben wundersame Rettungsaktionen. In der Vergangenheit erwiesen sich diese Rettungen häufig – wenn nicht sogar immer – als inszeniert.

Die USA nehmen solche Berichte gerne auf. US-Außenminister Pompeo verurteilte Russland wegen der Luftangriffe auf Idlib, die „Zivilisten töten und Infrastruktur zerstören“. Dabei warnte Pompeo schon im letzten Jahr, die Terroristen dürften ihre Untaten nicht aus Idlib in die Welt exportieren.

Und im Januar erklärte er in einer Rede in der Universität von Kairo freimütig das eigentliche Ziel: Rückzug der US-Truppen aus Syrien hin oder her – die USA und ihre Verbündeten würden nicht ruhen, bevor nicht der letzte iranische Soldat aus Syrien abgezogen sei.

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"Keine Ruhe für Syrien", UZ vom 2. August 2019



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