Zum Nationalen Volkskongress in China

Keine Rückkehr zum „Gesetz des Dschungels“

Frank Schumann

Auch wenn man die 1.300 Kilometer von Peking nach Schanghai mit einigen hundert Stundenkilometern in vier Stunden rast, ist die Geschwindigkeit nicht hoch genug, um die angefangenen und nicht fertiggestellten Wohngebiete links und rechts des Schienenstranges zu übersehen. Chinas Bauwirtschaft geriet ins Straucheln, was eine Folge der kapitalistischen Immobilien- und Finanzkrise in den USA und Europas von 2007/09 war, denn auch die chinesischen Großbanken hatten beim „Betongold“ in Übersee mitspekuliert – bis Peking dem einen Riegel vorschob und Milliarden Dollar zur Sanierung der Bau- und Immobilienbranche bereitstellte. Das war Teil eines billionenschweren Umschuldungs- und Investitionsprogramms, das auf dem 3. Plenum des Nationalen Volkskongresses 2024 für den laufenden Transformationsprozess der chinesischen Volkswirtschaft beschlossen worden ist.

Der chinesische Nationale Volkskongress, der in dieser Woche tagte, beschloss, die Verteidigungsausgaben auf 231 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Was in den hiesigen Medien mit angstmachendem Getöse kommentiert wurde: „China will massiv ins Militär investieren“ („Tagesschau“) und „Chinas Führung setzt weiter auf Aufrüstung“ („Deutsche Welle“). „Die chinesischen Militärausgaben sind nach denen der USA die zweitgrößten der Welt“ („ZDF heute“) – ohne jedoch zu erwähnen, dass der US-Kongress vor zwei Monaten beschlossen hatte, in diesem Jahr 895 Milliarden US-Dollar für die „nationale Verteidigung“ auszugeben – also fast vier Mal so viel wie die Chinesen. Und das, obwohl es vier Mal mehr Chinesen als Amerikaner gibt. China zählt 1,4 Milliarden Menschen, die USA 340 Millionen und die EU etwa 450 Millionen. Und die EU-Staaten gaben im letzten Jahr 352 Milliarden fürs Militär aus.

Wollen wir also mal schön die Propagandakanonen in der Kaserne lassen: 352 Milliarden sind noch immer erheblich mehr, als die Chinesen aufbringen wollen, während in diesem Jahr die EU-NATO-Staaten mehr als nur eine Schippe auf den riesigen Wehr­etat drauflegen werden. Nicht zu reden von deutschen „Sondervermögen“.

Aber mal diese ganze Arithmetik beiseite: Chinas Kommunisten sind nicht ins Militär vernarrt und würden lieber jeden Rüstungs-Yuan in den Naturschutz, in die Rettung des Klimas, in Wissenschaft und Technik und auch in den privaten Konsum fließen lassen. Aber, so Außenminister Wang Yi auf dem Volkskongress, kein Land solle sich einbilden, China bekämpfen und gleichzeitig gute Beziehungen zu China unterhalten zu können. Doch wenn jedes Land nur seine eigenen Inte­ressen verfolge, werde die Welt zu einem „Gesetz des Dschungels“ zurückkehren. Und genau das will Pekings Führung nicht. Wenn die USA Krieg wollten – Handelskrieg, Zollkrieg „oder irgendeine andere Art von Krieg“ –, dann werde die Volksrepublik darauf angemessen reagieren. Auf allen Feldern. Auch auf dem Feld der Rüstung. Aber man setzt nicht „weiter auf Aufrüstung“, wie hier behauptet wird, sondern auf den Umbau der gesamten Volkswirtschaft.

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"Keine Rückkehr zum „Gesetz des Dschungels“", UZ vom 14. März 2025



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