Zum „Rubelabsturz“ und anderen Sanktionsgeschichten

Keine Panik

Rubel erlebt plötzlichen Absturz und löst in Russlands Wirtschaft ‚Panik‘ aus“, titelte die „Frankfurter Rundschau“ am Montag und freute sich über die nun scheinbar doch eintretende Wirkung der Sanktionen des USA/NATO-Blocks gegen Russland.

Die kleinere der beiden Frankfurter Zeitungen war wieder einmal hinter der Zeit her. Der Wertverlust des Rubel gegenüber dem Dollar war in anderen Blättern schon eine Woche vorher berichtet worden. Die größere Frankfurter Zeitung (FAZ) hatte den Bericht mit dem Hinweis versehen: „Dem Kreml kommt die schwache Währung entgegen.“ Die Einnahmen aus dem Export würden in Rubel umgerechnet steigen und so den Staatshaushalt entlasten. Viel Wasser in den Wein der sich an den eigenen Sanktionen Berauschenden goss zwei Tage später in derselben Zeitung jemand, der das Geschäft versteht und keiner Sympathie mit Russland verdächtig ist. „Der Absturz des Rubels ist kein ernstes Problem für Putin“, erklärte Sergej Alexaschenko, in den 1990er Jahren erst stellvertretender Finanzminister und später stellvertretender Vorsitzender der russischen Zentralbank. Nach seiner Auswanderung in die USA im Jahr 2018 schrieb er am Wirtschaftsprogramm des damaligen sogenannten „Oppositionsführers“ Alexej Nawalny mit. Der Haushalt der Russischen Föderation sei „in Ordnung“, sagte er jetzt, und „Panik“ gebe es nur, weil die USA neue Sanktionen unter anderem gegen die Gazprom-Bank verhängt hätten, die erst am 20. Dezember in Kraft treten. Vorher versuchten eben mehrere Devisenspekulanten, ihr Geld rechtzeitig abzuziehen. Eine seriöse Beurteilung der Wechselkursbewegungen zwischen Dollar und Rubel sei erst nach diesem Stichtag möglich.

Heiße Luft also und viel Pfeifen im Walde auch bei dieser Erfolgsmeldung der Sanktionstrommler. Und weil Alexaschenko schon dabei war, stellte er einige andere Dinge klar, auch wenn sie ihm wahrscheinlich gegen den Strich gehen: Die Mehrheit der Russen vertraue Putin, die russische Wirtschaft würde einen sinkenden Ölpreis, auf den viele im Westen setzen, viel länger überstehen als die US-amerikanische, für die vom Westen ersehnte Stagflation (steigende Inflation bei ausbleibendem Wirtschaftswachstum) gäbe es in Russland „keine Anzeichen“ und im Übrigen würden die Öl-Sanktionen gegen Russland schlicht nicht funktionieren, weil Indien und China sich ihnen eben nicht angeschlossen hätten.

Gut, dass die herrschende Klasse für das hirnlose Weiterdrehen an der Sanktionsspirale noch ein paar Wochen lang auf die Partei „Die Linke“ setzen kann. Frisch von einer geführten Polit-Touristentour durch Butscha zurück, brachte deren neugewählter Vorsitzender Jan van Aken im „nd“ eine frische Idee gegen Schiffe ins Spiel, die russisches Öl transportieren und die er „Schattenflotte“ nennt: „Es sind alte, oft marode Tanker, die täglich russisches Öl durch die Ostsee transportieren und weltweit verkaufen. (…) Warum stoppt die Küstenwache nicht jedes Mal eines dieser Schiffe? Wenn ein Auto verkehrsuntauglich ist, wird es ja auch aus dem Verkehr gezogen.“ Garniert war der Artikel mit einem Foto, das van Aken mit entschlossenem Gesicht vor einem abgeschossenen russischen Panzer zeigte. Wer also will, dass mit Kanonen bewaffnete Schiffe unter deutscher Flagge russische Tanker in der Ostsee „aus dem Verkehr“ ziehen – am besten vor der Westerplatte nahe des ehemaligen Danzig – und damit den dritten Weltkrieg auslösen, hat mit der selbsternannten „Cheffriedenstaube“ und neuem Linkspartei-Chef einen verlässlichen Ansprechpartner.

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"Keine Panik", UZ vom 6. Dezember 2024



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