Fidel Castro weist Obama in die Schranken

Keine Lust auf Verbrüderung

Von Tobias Kriele

Der Beitrag „Bruder Obama“ von Fidel Castro ist u. a. auf www.redglobe.de nachzulesen.

Am 28. März rechnete Fidel Castro in einem Artikel unter dem Titel „Bruder Obama“ mit dem Auftreten von US-Präsident Obama während dessen Kuba-Reise ab. Der Beitrag, der zuerst auf dem kubanischen Portal „www.cubadebate.cu“ erschienen war, hatte bereits wenige Stunden nach seinem Erscheinen Widerhall in der internationalen Medienlandschaft gefunden.

In seinem Schreiben kritisiert Fidel wenig diplomatisch Obamas Rede am 22. April in Havanna, die das kubanische Fernsehen per Live-Schaltung praktisch in alle kubanischen Haushalte übertragen hatte. Von Obama, der aus einfachen Verhältnissen komme und über „eine natürliche Intelligenz“ verfüge, habe er sich eigentlich eine korrekte Ansprache erhofft, so Fidel. Der historische Anführer der kubanischen Revolution spricht spöttisch von einem „Reigen neuer Begriffe“, den der US-Präsident, eingeführt habe. Unter anderem hatte Obama behauptet, Kuba und die USA stünden jeweils in beiden Traditionslinien, einer der Sklaven und einer anderen der Sklavenhändler. Fidel wirft Obama nun vor, dass in seiner Geschichtsauffassung die ursprünglichen Einwohner ebenso wenig vorkämen wie die Rassendiskriminierung in Kuba, die durch die Revolution beendet worden sei. Schließlich sei es Kuba gewesen, das mit seiner in Afrika praktizierten Solidarität das südafrikanische Apartheidsregime entscheidend geschlagen hätte.

Fidel weiter: Sowohl während ihrer Invasion in der Schweinebucht im Jahr 1961 als auch später in Afrika hätten die USA Kubas militärische Schlagkraft unterschätzt. Fidel erwähnt ihm vorliegende Informationen, nach denen die USA unter Präsident Reagan und Israel das Apartheidsystem mit Atomwaffen ausgerüstet hätten. Castro nennt es „unwahrscheinlich“, dass Obama von diesen Vorgängen keine Kenntnisse habe, und schildert zugleich nicht ohne Spott, wie er zu seiner Überraschung habe feststellen müssen, dass Obama in diesem Wissen ungerührt das Vorwort zu einer Mandela-Biografie verfasst habe.

Während seines Kuba-Aufenthaltes hatte Obama in anbiedernder Großzügigkeit ausgerufen, nicht die USA, sondern nur die Kubaner selbst hätten über ihr Schicksal zu entscheiden. Drei Tage nach seiner Rückkehr startete seine Regierung ein neues „Regime Change“-Programm, mittels dessen junge Kubaner in den USA zu Dissidentenkadern ausgebildet werden sollen. Wohl auch in diesem Zusammenhang spricht Fidel davon, die „geflötete“ Forderung Obamas, man habe die Geschichte hinter sich zu lassen, habe ihn und andere in Kuba an den Rand eines Herzinfarktes gebracht. Obama hatte Kubaner und US-Amerikaner scheinheilig zu Freunden, zu einer Familie erklärt – und dies vor dem Hintergrund einer seit 60 Jahren andauernden Blockade und ungezählter Todesopfer durch Attentate und Aggressionen. Fidel kontert, niemand soll sich Illusionen machen, das kubanische Volk werde hinter seinen erlangten „geistigen Reichtum“ zurückfallen. „Wir brauchen keine Geschenke des Empires“. In diesem Sinne ist auch der Ratschlag zu sehen, Obama solle es besser unterlassen, Theorien über die kubanische Politik aufzustellen.

Kuba, so Fidel, kann ohne Probleme ohne die USA auskommen, könne sich selber ernähren und sich dabei im Sinne des Friedens und der Rechtsprechung verhalten.

Die US-Regierung reagierte empfindlich auf diese Äußerungen und ließ sie schon am Folgetag durch einen Sprecher zurückweisen. Die Versuche, Fidels Äußerungen als Distanzierung von der Politik seines jüngeren Bruders Raúl zu deuten, gehen aber in die Irre. Vielmehr bestätigt diese gezielte Verletzung des diplomatischen Tons durch den erfahrenen Staatsmann Fidel Castro die politische Distanz, die Kubas Regierung gegenüber den USA schon während Obamas Anwesenheit in Kuba betont hatte.

Obama wurde in aller gebotenen Höflichkeit empfangen, in den kubanischen Medien jedoch zugleich zum Teil scharf angegriffen. Kuba will offensichtlich die Gespräche mit den USA, aber zugleich macht die kubanische Regierung deutlich, dass aus ihrer Sicht der Antagonismus zwischen Imperialismus und Sozialismus weiterhin die Beziehungen prägen wird.

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"Keine Lust auf Verbrüderung", UZ vom 8. April 2016



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