Den Beitrag aus Hannover empfinde ich als Bereicherung. Denn das Abarbeiten an „Pappkameraden“ (O-Ton Hannover) birgt die Gefahr, dass man am Ende der eigentlichen Rechtsentwicklung nichts Wirksames entgegensetzen kann. Im schlimmsten Fall wird man sogar in den Augen derer, die unter den massiven wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Lockdowns zu leiden haben und deren Interessen man eigentlich verteidigen will, sogar als eine linke Flanke der Regierungspolitik wahrgenommen. Denn wirtschaftlich sind von den Lockdowns vor allem Hartz IV-Bezieher, Geringverdiener, Kurzarbeiter und kleine Gewerbetreibende betroffen. Auch die sozialen und gesundheitlichen Folgen für Kinder aus ärmeren Haushalten sind enorm, und können selbst mit schnellen Soforthilfen kaum abgefedert werden.
Ich habe es immer als eine Stärke unserer Debatten empfunden, dass wir Kriegspolitik, Sozial- und Demokratieabbau nicht als isolierte Phänomene, sondern als verschiedene Seiten einer allgemeinen reaktionären Entwicklung verstanden haben. In der Vergangenheit haben wir jedoch immer wieder die Erfahrung machen müssen, wie der „Kampf gegen Rechts“ gegen die Interessen der arbeitenden Menschen gedreht werden konnte: Man denke an die schamlose Lüge, der Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 sei nötig gewesen, um ein „neues Auschwitz“ zu verhindern. Oder an die konstruierte Nähe europäischer Faschisten zur russischen Regierung, um die Forderungen nach „Frieden mit Russland“ zu diskreditieren und den Boden für Sanktionen gegen Russland zu bereiten. Im Falle der Opposition gegen die Corona-Politik der Bundesregierung sieht es so aus, als sei der Kampf gegen – echte wie vermeintliche – rechte Verschwörungstheoretiker zur Diskreditierung von sozialem Unmut instrumentalisierbar.
Will man dieser Demagogie und Instrumentalisierung entgegenwirken, dann hilft doch nur, Charakter und Inhalt der reaktionären Entwicklung herauszuarbeiten und auf dieser Grundlage dagegenzuhalten. Dazu haben die Hannoveraner einen respektablen Diskussionsbeitrag vorgelegt.