Am 19. Februar jährt sich das rassistische Attentat von Hanau zum fünften Mal. An diesem Abend vor fünf Jahren ermordete der Rechtsterrorist Tobias Rathjen neun Menschen: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kenan Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.
Die Tat rief bundesweit Entsetzen und Trauer, aber auch Wut und Solidarität hervor. Jährlich finden im ganzen Land Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen statt, um der Opfer zu gedenken und auf die reale Gefahr neofaschistischen Terrors aufmerksam zu machen. Laut der Initiative 19. Februar Hanau gibt es in diesem Jahr Veranstaltungen in rund 100 Städten.
„Seit fünf Jahren sagen wir ihre Namen, seit fünf Jahren fordern wir Gerechtigkeit und Aufklärung. Doch ohne Konsequenzen gibt es keine Gerechtigkeit. Behördenversagen, mangelnde Aufklärung und ausbleibende Konsequenzen zeigen, dass es weitergehen muss“, heißt es in einer Veranstaltungsankündigung der Initiative. Knapp zwei Jahre nach Abschluss des Untersuchungsausschusses, der von den Angehörigen der Opfer erst durchgesetzt werden musste, bleiben viele Fragen zum Polizeieinsatz am Abend des 19. Februar 2020 offen.
Fest steht, dass Rathjen gegen 22 Uhr am Hanauer Heumarkt das Feuer eröffnet hatte. In der Bar „La Votre“ erschoss er den Angestellten Kaloyan Velkov und danach Fatih Saraçoğlu auf der Straße. In der Shisha-Bar „Midnight“ tötete er den Eigentümer Sedat Gürbüz. Anschließend floh der Attentäter und fuhr in den Stadtteil Kesselstadt. Dort erschoss er auf einem Parkplatz Vili Viorel Păun, der ihn verfolgt und vergeblich versucht hatte, den polizeilichen Notruf zu erreichen. Im Lokal „Arena Bar & Café“ und dem angeschlossenen Kiosk tötete er Gökhan Gültekin, Mercedes Kierpacz und Ferhat Unvar. In der Bar schoss der Täter auf mehrere junge Männer, Said Nesar Hashemi starb noch am Tatort. Hamza Kenan Kurtović wurde schwer verletzt und starb im Krankenhaus.
Es stellt sich die Frage, ob mehrere Morde hätten verhindert werden können, wenn die Beamten in der Wache ans Telefon gegangen und unmittelbar ausgerückt wären. Niculescu Păun, der Vater von Vili Viorel Păun, hat vor sechs Wochen eine erneute Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Sie richtet sich gegen zumindest drei namentlich genannte Beamte, gegen die vor dem Hintergrund des Notrufdesasters, das Vili Viorel das Leben kostete, wegen des „Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung“ ermittelt werden soll. Alle drei Beamte seien ihrer Garantenstellung nicht nachgekommen und hätten ihre Sorgfaltspflichten in schwerwiegender Weise verletzt, weil sie von der technischen Unterausstattung sowie der personellen Unterbesetzung des Hanauer Notrufes entweder wussten oder dies in ihrer leitenden Funktion hätten wissen müssen.
In der Anzeige werden auch die Spekulationen angegriffen, die in früheren Einstellungsbescheiden der Staatsanwaltschaften enthalten waren. Vili Viorel Păun wurde darin unterstellt, den Anweisungen der Polizei nicht Folge geleistet zu haben. Anhand von Zeugenbefragungen und mehreren Beispielen wird nun dargelegt, dass Vili Viorel Păun bei Erreichen des Notrufes und bei entsprechender Aufforderung durch die Polizei die weitere Verfolgung abgebrochen hätte. Heute wäre er dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch am Leben, wie aus einem Statement der Initiative 19. Februar Hanau hervorgeht.
An diesem Beispiel zeigt sich, das längst nicht alle behördlichen Versäumnisse aufgearbeitet sind. Der politische Druck bleibt notwendig.