Ein Plädoyer für den gemeinsamen Kampf verschiedener Branchen in den aktuellen Tarifrunden

Keine Angst vor dem „Exzess“!

Die diesjährige Streiksaison ist angelaufen. Erste Warnstreiks gab es bei der Post, im Öffentlichen Dienst, bei diversen Nahverkehrsbetrieben wie in Berlin oder in Baden-Württemberg sowie in der Systemgastronomie. Bei der Bahn gab es die ersten zwei Verhandlungsrunden und eine Demonstration in Berlin Anfang Februar gegen die Zerschlagung der Deutschen Bahn und zur Stärkung der Tarifverhandlungen.

Mit Blick auf die Bundestagswahlen am 23. Februar wurden bei der Bahn die Tarifverhandlungen vorgezogen. Dort endet die Friedenspflicht allerdings erst Ende März. Das bedeutet, dass das Druckmittel Streik nicht zum Einsatz kommen würde, wenn es vor den Bundestagswahlen zum Abschluss kommt. Bei ver.di gibt es Befürworter, die Tarifauseinandersetzungen im Öffentlichen Dienst und bei der Post zeitlich zu beschleunigen, um ebenfalls bis zu den Bundestagswahlen abschließen zu können. Das schnelle Durchziehen kann zu schlechten Abschlüssen führen, wie die Tarifrunden bei VW und in der Metall- und Elektroindustrie Ende letzten Jahres gezeigt haben. In beiden Runden wollte man vor Weihnachten fertig werden. Dadurch konnte kein starker Druck aufgebaut werden. Es gab nur wenige Warnstreiks. In der Tarifrunde Metall und Elektro erfolgte der Abschluss schon rund zwei Wochen nach Ende der Friedenspflicht.

Schade ist, dass es in diesem Jahr noch keine gemeinsamen Aktionen der unterschiedlichen Branchen und Bewegungen gab, wie wir dies im März 2023 dreimal erleben durften. Am 3. März streikte der Nahverkehr zusammen mit der Klimaschutzbewegung. Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, streikten die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes und gingen gemeinsam mit der Frauenbewegung auf die Straße. Am 27. März gab es den gemeinsamen Streik des Nah- und Fernverkehrs. An diesen Tagen konnte man die Kraft der Arbeiterklasse spüren, die in Streiks entwickelt werden kann, wenn sie sich für den Arbeitskampf entscheidet, sich über Branchen hinweg zusammenschließt und politische Themen mit einbezieht. Dementsprechend laut heulte das Kapital auf. Von „halbe Republik in Geiselhaft (…) nehmen“, von „Exzess“, „Generalstreik“, „gefährlicher Grenzüberschreitung“ und anderem war die Rede. Nicht zuletzt die Angriffe auf das Streikrecht, mit denen umgehend gedroht wurde, zeigten, dass hier ganz offensichtlich ein Nerv getroffen wurde.

An diese Erfahrungen muss angeknüpft werden. Auch die zurzeit laufenden Tarifrunden könnten zusammengeführt werden und damit an Stärke und Durchsetzungskraft gewinnen. Die Angebote des Kapitals beziehungsweise der öffentlichen Dienstherren sind bislang äußerst niedrig. Eine Sicherung des Reallohns ist so nicht möglich. Auf Forderungen zur Entlastung (freie Tage) wird erst gar nicht eingegangen und die angebotenen Laufzeiten betragen mehrere Jahre. Diese frechen Angriffe können durch solidarische gemeinsame Streiks besser abgewehrt werden.

Treffend heißt es im Solidaritätsgruß des IGM-Seniorenausschusses Obere Neckarvororte (Stuttgart) an die Beschäftigen des Öffentlichen Dienstes: „Aus unserer jahrzehntelangen Erfahrung wissen wir, dass es gut ist, Kräfte zu bündeln. Es gibt in vielen Bereichen Tarifrunden wie aktuell bei der Post oder bei der Bahn. Kämpft gemeinsam, dann könnt ihr mehr durchsetzen. Kommt am 15. März zum Aktionstag der IG Metall. Wir freuen uns, mit euch gemeinsam für ein besseres Leben zu kämpfen.“

Wichtig ist auch, den Zusammenhang mit dem Kriegs- und Krisenkurs aufzuzeigen, wie es beim Streikauftakt des Jugendamtes in Stuttgart in der vergangenen Woche gleich zwei Rednerinnen taten. Sowohl die Geschäftsführerin von ver.di Stuttgart als auch die betreuende politische Sekretärin betonten, dass zu viel Geld in die Rüstung gesteckt wird und damit das Geld für Gesundheit, Soziales und Bildung fehlt.

In verschiedenen Städten wird darüber diskutiert, wie der IG-Metall-Aktionstag am 15. März zur Unterstützung der laufenden Tarifrunden genutzt werden kann, um die Kämpfe gegen Arbeitsplatzabbau und Werksschließungen zu vernetzen sowie gegen den Kriegskurs und den Sozialkahlschlag zu protestieren.

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"Keine Angst vor dem „Exzess“!", UZ vom 14. Februar 2025



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