Gegen rechts kämpfen – für Frieden und gegen den sozialen Kahlschlag

Keine Alternative

Wer stoppt den Rechtsruck? Talkshow-Experten stochern im Nebel, Kommentatoren zeigen sich ratlos, gestandene Politiker gucken bedrückt drein. Nicht zuletzt der monatelange Eiertanz, den die Stadt Essen um den AfD-Bundesparteitag an diesem Wochenende aufgeführt hat, zeugt von der herrschenden Unsicherheit. Vor wenigen Tagen schaltete sich dann auch noch Friedrich Merz in die Diskussion ein und bezeichnete seine CDU im ZDF-Sommerinterview als „Bollwerk gegen die AfD“. Bei den kommenden Landtagswahlen im Osten rief er die Wähler von SPD, Grünen und FDP dazu auf, „jetzt in dieser Situation die CDU zu wählen“. Und dann?

Man könnte müde darüber lächeln, doch Merz ist nicht allein. Auch die Regierungsparteien hatten für die EU-Wahl auf das Thema „Kampf gegen rechts“ gesetzt, um der Konkurrenz die Stimmen abzujagen. SPD und Grüne versuchten, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen. Um den Rechtsruck zu stoppen, müsse die AfD Stimmen verlieren. Dafür schien jedes Mittel recht. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) brachte diesen Ansatz mit einem Plakatslogan auf den Punkt: „Migration steuern. Sonst tun es die Falschen“, war dort zu lesen.

Die „Richtigen“ hatten in den vergangenen Jahren jedoch keine Scheu, selbst knallharte rechte Politik zu machen – natürlich begleitet mit strikter Abgrenzung „nach rechts“. Vorgeblich um die AfD zu schwächen wurde das Asylrecht weiter eingeschränkt. Die jüngsten Berichte von ins Meer geworfenen Geflüchteten sind nur die Spitze einer Politik, die den mit Entsetzen aufgenommenen „Remigrationsplänen“ der Rechtsaußenpartei nicht nachsteht. Auch bei der Aufrüstung, den Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, der Unterstützung des israelischen Völkermords in Gaza lässt die Ampel kaum noch Raum rechts von sich.

Um den Krieg gegen Russland zu finanzieren, sägt die Regierung an den Resten des Sozialstaates. „Wir wenden Milliarden Euro auf, um Menschen zu unterstützen, die nicht arbeiten“, polterte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in der vergangenen Woche. Unterstützung bekam er vom SPD-Abgeordneten Joe Weingarten. Es dürfe „keine sozialdemokratische Zielsetzung“ sein, „fürs Nichtstun öffentliche Unterstützung zu bekommen“, sagte er im Interview mit „Die Rheinpfalz“. Die Hetze gegen Arme und Migranten hat sich zum umstrittenen Markenzeichen entwickelt. Es wird von den Ampel-Parteien ebenso beansprucht wie von CDU und AfD – in der Rhetorik getrennt, in der Sache vereint.

Deshalb lässt sich der „Rechtsruck“ auch nur bedingt an den Wahlergebnissen der AfD ablesen. Der Aufstieg der reaktionären, rassistischen und mit Faschisten durchsetzten Partei ist das Symptom einer langanhaltenden Rechtsentwicklung und nicht ihre Ursache. Wer diese stoppen will, kommt an der Ampel-Politik nicht vorbei. Sie spaltet die Bevölkerung, treibt die Inflation an, führt zu Verarmung und berechtigten Verlustängsten. Dass davon die Rechtsparteien profitieren, weiß auch Kanzler Olaf Scholz (SPD). Im ARD-Sommer-interview wurde er nach dem schlechten Abschneiden der SPD und dem Aufstieg der AfD im Osten gefragt. „Da ist was los“, antwortete er. „Es ist schon so, dass es viele Bürgerinnen und Bürger gibt, die nicht einverstanden damit sind, dass wir die Ukraine unterstützen. Die auch nicht einverstanden damit sind, dass wir Sanktionen gegen Russland verhängt haben“, so der Kanzler. Doch es gebe „aus meiner Sicht nicht die Alternative, dass wir das jetzt ändern“. So überlässt er es bewusst der AfD, sich als scheinbare Alternative zu präsentieren.

Im Umkehrschluss heißt das: Wer die Rechtsaußenpartei zurückdrängen möchte, muss für Frieden und gegen den sozialen Kahlschlag kämpfen. Denn die AfD ist ganz sicher keine Alternative zu Ampel und CDU. Aber Ampel und CDU sind auch keine Alternativen für eine bessere Zukunft.

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"Keine Alternative", UZ vom 28. Juni 2024



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