„Da kann ich ja keine Stimme abgeben, wenn man die Wahl hat zwischen AfD und CDU.“ So ging es vielen Wählerinnen und Wählern am vergangenen Sonntag im thüringischen Sonneberg. Sie waren aufgerufen, einen neuen Landrat zu wählen, und hatten die Wahl zwischen dem „Amtsinhaber“ Köpper von der CDU und dem „Herausforderer“ Sesselmann von der AfD. Diese Auswahl ist keine Eigenschaft eines thüringischen Parteiensystems, sondern dem Umstand geschuldet, dass auch die Kommunalwahlen von den „großen politischen Themen“ dominiert werden.
So schaffte es auch der gewählte AfD-Mann: Mit Themen, die ihm die Berliner Regierungspolitik vor die Füße warf, war ein leichter allgemeinpolitischer Anti-Wahlkampf zu machen. Dazu kommt: Die auf Landes- und Bundesebene regierenden Parteien schafften es nicht einmal in die Stichwahl. Die Themen des Sesselmann-Wahlkampfs hatten mit den Kompetenzen eines Kommunalpolitikers wenig zu tun, so der Rat der Metropolregion Nürnberg am Montag zum Wahlergebnis in Sonneberg, welches seit fast zehn Jahren zur fränkischen Metropolregion gehört.
In der ersten Runde am 11. Juni scheiterte die SPD-Kandidatin Schönheit mit 13,3 Prozent. Die Grünen-Kandidatin Schwalbach aus Potsdam, die in Sonneberg für Grüne und Linkspartei zusammen antrat, holte nur 4,4 Prozent. Und so versammelten sich alle etablierten Parteien inklusive der Linkspartei hinter dem CDU-Mann, der seit wenigen Wochen bereits das Amt ausübte, das ihm sein kranker Vorgänger überlassen hatte. Unterstützung des Amtsinhabers aus der Hauspartei des Großkapitals – so geht Antifaschismus in Thüringen? Zusammen mit der Linkspartei?
Ministerpräsident Ramelow ist formell Mitglied der Linkspartei, gehört jedoch zu denen, die seit Jahren öffentlich gegen das Programm verstoßen, zum Beispiel bei Themen wie Sanktionen und Waffenlieferungen, und sieht sich in seiner Rolle als Chef der rot-rot-grünen Koalition auch den Programmen von SPD und Grünen verpflichtet. Er analysierte das Wahlergebnis als „Signal der Unzufriedenheit“. Angesicht einer zweistelligen Inflation und der konkreten Gefahr einer atomaren Kriegseskalation wirkt es, als sei er mit dieser These auf einer heißen Spur.
Gut 58 Prozent sind wählen gegangen, von denen sich keine 47 Prozent für die „Alternative“ von der CDU ausgesprochen haben. Das heißt auch, dass viele zuhause geblieben sind, die vom ritualisierten Stimmeabgeben nichts anderes erwarten als erneute Legitimation für die Stellvertreterpolitiker der etablierten Parteien. Zahlreich strömten nur diejenigen, die immer noch meinen, mit der AfD eine „Alternative“ zur etablierten Politik zu unterstützen, und denen nicht auffallen will, was Höcke, Weidel, Gauland und andere neoliberale Demagogen propagieren. Von den etwa 48.000 Einwohnern des an Bayern grenzenden Sonneberg gaben dann 14.992 ihre Stimme dem AfD-Mann.
Dieser kann jetzt erzählen, was diese Wahl alles bewiesen habe und dass die AfD nun auf dem Weg zur Volkspartei sei. Ideologisches sei jetzt außen vor zu lassen, vielmehr wolle er auf den politischen Gegner zugehen, krakeelte der Wahlsieger am Sonntagabend in die Kameras. In opportunistischer Manier gab er sich milde und regierungsfähig in die Kameras derjenigen, die er gleichzeitig als „Systemmedien“ verurteilte. An seiner Seite: Höcke, Führer des faschistischen Flügels der AfD, mit dem der bisherige Landtagsabgeordnete zusammen in der Fraktion und im Landesvorstand der Partei sitzt.
Notwendig wurde die vorgezogene Landratswahl wegen der schweren Erkrankung des zuletzt gewählten Landrats. Der hatte überhaupt kein Parteibuch und hatte sich damals als unabhängiger Kandidat mit bestechender Begründung zur Wahl gestellt: „Zur Kandidatur habe ich mich nach Bekanntwerden der Kandidaten von CDU und AfD entschlossen, weil ich angesprochen wurde und den Wählerinnen und Wählern eine Alternative anbieten möchte.“
Keine Alternative
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