In Stuttgart gründete sich bereits im Jahr 2009 die Liste „Zentrum Automobil“, die dann bei den Betriebsratswahlen 2010 erstmals antrat. Damals zog sie mit zwei Mandaten in den Betriebsrat des Daimler-Werkes Untertürkheim ein, 2014 kam sie auf knapp 10 Prozent der Wählerstimmen und erhielt vier Betriebsratsmandate, 2018 waren es sechs.
Gründer der Liste „Zentrum Automobil“ ist Oliver Hilburger. Er saß zuvor für die Liste der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) im Betriebsrat, musste sein Mandat aber 2007 abgeben, nachdem seine Mitgliedschaft in der Rechtsrockband „Noie Werte“ durch IG-Metall-Mitglieder und linke Betriebsratsmitglieder der „alternative“ bekannt gemacht worden war.
Mit der Musik von „Noie Werte“ waren Bekennervideos der NSU-Terroristen zur Ermordung von Enver Simsek unterlegt. Erst als der NSU aufflog, distanzierte sich Hilburger öffentlich. Eine taktische Maßnahme, ohne die er weder als Betriebsratsmitglied noch als Beschäftigter bei Daimler toleriert worden wäre.
Hilburger musste sogar vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg aussagen. Dabei fiel er vor allem durch Erinnerungslücken und bizarre Aussagen auf. Dass bei Auftritten seiner Band im Publikum der Hitlergruß gezeigt wurde, was durch Videos dokumentiert ist, will er nicht gesehen haben. Auf rassistische Liedtexte angesprochen („Fuck the Nigger“ und „Fuck the Jews“), die er als Bassist begleitete, war sein Kommentar: „Das ist nicht meine Sprache“, er habe das nicht wahrgenommen. Der Lärm der Musik sei so undifferenziert, er hätte nicht mal seine eigene Gitarre gehört.
Das „Zentrum Automobil“ betreibt soziale Demagogie, die nicht immer leicht zu durchschauen ist. Die Akteure kaschieren ihre rechte Gesinnung hinter zum Teil notwendiger Kritik. So behaupten sie, sich in Opposition gegen das Co-Management bei Daimler zu befinden. Dabei nehmen sie nicht etwa die Ausbeutung und die kapitalistischen Monopole ins Visier, sondern sprechen von den Folgen der „Globalisierung“ oder von nicht näher benannten „multinationalen Konzernen“.
Die Vertreter von „Zentrum Automobil“ identifizieren sich mit den Vorstandsplänen von Daimler zur Eroberung der Weltmarktführung. Hinter vermeintlich antikapitalistischer Kritik verbirgt sich bei näherem Hinsehen reaktionäre nationalistische Hetze, die sich vor allem gegen Gewerkschaften richtet.
Die Betriebsgruppe bei Daimler Untertürkheim gilt in Neonazi-Kreisen als Vorbild für eine erfolgreiche Betriebsarbeit. „Zentrum Automobil“ ist es gelungen, auch bei Daimler in Sindelfingen, in der Stuttgarter Daimler-Zentrale und im Werk Rastatt Listen einzureichen. In Rastatt kam die Liste auf drei Sitze, sie erhielt zwei Sitze in Sindelfingen. Bei Porsche kam „Zentrum Automobil“ auf zwei und bei BMW in Leipzig auf vier Sitze. Auch bei Siemens in Görlitz, bei Opel in Rüsselsheim und beim Motorsägenhersteller Stihl ist die Liste vertreten. Aus Zwickau wird berichtet, dass das „Bündnis freier Betriebsräte“ mit Unterstützung der Neonazi-Partei „Freie Sachsen“ im VW-Werk gegen die IG Metall antritt.
Angesichts der etwa 180.000 Sitze, die bei den Betriebsratswahlen zu vergeben sind, ist die Präsenz von „Zentrum Automobil“ sehr bescheiden. Doch es handelt sich um einen organisierten Ansatz von Neonazis, auch in solchen Betrieben Fuß zu fassen, in denen die IG Metall stark ist. Das ist als Versuch zu werten, die Belegschaften zu spalten. Entsprechend wurden bei Betriebsversammlungen von Daimler-Untertürkheim die Vertreter von „Zentrum Automobil“ ausgepfiffen. IG-Metall-Mitglieder bezogen Stellung gegen die Spalter von „Zentrum“ und verwiesen auf deren Verbindungen zu faschistischen Gruppen.