Kein EU-„Flüchtlingsgipfel“ hat bislang zu einer Lösung im Interesse jener Menschen geführt, die vor Krieg, Verfolgung und Not nach Europa fliehen, ihnen Schutz gibt, eine Zukunftschance. Jedes Mal folgten in den vergangenen Monaten auf die Verhandlungen verstärkte Maßnahmen zur Abschottung und Abwehr.
Sollte etwa der kleine Balkan-Gipfel in Brüssel am vergangenen Sonntag anders ausgegangen sein? Nach einer Debatte, die wieder mit gegenseitigen Schuldzuweisungen begann, kam man dieses Mal zu einigen konkreten Festlegungen: Vor allem den Grenzschutz – nicht zuletzt zwischen Griechenland, Mazedonien und Albanien – will man „verbessern“ und allein nach Slowenien jetzt 400 Grenzschützer schicken.
Vor allem aber geht es darum, schnell Auffanglager für 100 000 Menschen zu schaffen, um sie von den Grenzen der Hauptländer der EU fernzuhalten: Am Rande der Westbalkan-Route sollen 50 000 Flüchtlinge in Lagern untergebracht werden. Griechenland sagte die Bereitstellung von 30 000 Plätzen in diesem und von weiteren 20 000 Plätzen im kommenden Jahr zu. Vorrangig das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR soll die Aufnahmelager übernehmen. „Finanzielle Unterstützung für Griechenland und den UNHCR wird erwartet“, heißt es im Abschlusstext des Gipfels. Ob das Geld aber je fließen wird, ist völlig ungewiss. Es sollen zudem Zelte, Decken und anderes Material an die betroffenen Länder geliefert werden. Sollen …
Die Menschen werden in Lager gepfercht, aus denen sie leichter abgeschoben werden können. Ein menschenwürdiger Umgang sieht anders aus. Darauf verweist auch die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke („Die Linke“) in einer Presseerklärung zum Gipfel am 26. Oktober: „Der Winter steht vor der Tür, und wir brauchen dringend tragfähige Konzepte zur menschenwürdigen Unterbringung der Schutzsuchenden. Die EU-Gelder müssen in die Schaffung von ausreichenden und angemessenen Aufnahmeplätzen fließen und nicht in das sogenannte ‚Grenzmanagement’.“
Doch in der EU werden selbst in jenen Ländern, die bereits viele Flüchtlinge aufgenommen haben, die Stimmen immer lauter, die die Schließung der Grenzen fordern. Auch Bundeskanzlerin Merkel ist von ihrem „Willkommen“ Schritt für Schritt abgerückt. Aber selbst die jüngste Asylrechtsverschärfung reicht einigen in der Union nicht aus, sie fordern noch härtere Maßnahmen.
Deshalb verwundert es nicht, dass auch der bayerische CSU-Ministerpräsident Seehofer nach dem Balkan-Gipfel sofort weiter Druck macht: Bis Sonntag will Seehofer warten. Ihm gehen weder die Maßnahmen der Bundesregierung einschließlich der Verschärfung des Asylrechts und der Abschiebemöglichkeiten weit genug, noch die bislang getroffenen Maßnahmen im Rahmen der EU. Am Dienstag stellte der bayrische Ministerpräsident – trotz der Festlegungen des Balkan-Gipfels – der Bundeskanzlerin ein Ultimatum: Merkel sei schuld an der Politik der offenen Grenzen – vor allem zu Österreich. Er drohte mit „bayerischer Notwehr“: „Sollte ich keinen Erfolg haben, müssen wir überlegen, welche Handlungsoptionen wir haben.“