Kein Wille zur Änderung

Herbert Becker zur Praxis in Bundesministerien

Als es im letzten Jahr noch Wahlkampf gab, plusterte sich besonders die SPD auf, dass es ein Ende haben müsse mit den „sachgrundlosen Beschäftigten“. Im Koalitionsvertrag steht zwar die hehre Absicht, den eklatanten Missbrauch durch Regelungen und Quotierungen zu unterbinden, passiert ist seitdem aber nichts.

Eine parlamentarische Anfrage zur Praxis in den Bundesministerien enthüllt nun, wie es in den Regierungszen­tralen in Berlin und Bonn aussieht. Geht es um die eigenen Mitarbeiter, hält sich die Bundesregierung nicht an ihre vollmundigen Vorgaben. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten haben sachgrundlos befristete Verträge.

Die Bundesregierung beschäftigt nach eigenen Angaben derzeit etwa 7 900 Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen, ohne dabei einen konkreten Sachgrund für die Befristung anzugeben. Damit nutzt die Regierung das Instrument der sachgrundlosen Befristung, ohne eine Begründung für solche Arbeitsverhältnisse zu haben.

Seehofer, der neue Bundesminister des Inneren, aber auch für Bau und „Heimat“, schert sich natürlich einen Dreck darum, was die Koalitionäre ins Regierungspapier geschrieben haben. Allein in seinem Ministerium haben über 80 Prozent der befristet Beschäftigten eine sachgrundlose Befristung. Verständlich aus seiner Sicht, schließlich will er überall „aufräumen“, da ist dieses Instrument ideal geeignet, Duckmäusertum und geschmeidige Anpassung an die neue, rechte Linie zu erreichen. Dieses Ministerium mit all seinen Abteilungen und Referaten beschäftigt gerade mal 1 500 festangestellte Männer und Frauen, aber fast 5 600 Verwaltungs- und Fachangestellte, die nur einen befristeten Arbeitsvertrag haben.

Niemand sollte meinen, in den anderen Ministerien und Bundesbehörden sähe es besser aus, diese Praxis ist nach einer Übersicht überall in Mode und zeigt deutlich, was von dem Gerede von „Gute Arbeit, breite Entlastung und soziale Teilhabe sichern“, wie es im Papier steht, zu halten ist. Wenn es nach dem Papier der drei Parteien gehen würde, dann sollen in Betrieben mit mehr als 75 Beschäftigten noch höchstens 2,5 Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Sachgrund befristet beschäftigt werden.

Die Koalitionsparteien verantworten über ihre Minister und Parlamentarischen Staatssekretäre die Bedingungen in den Häusern, dass sie keine Anstalten machen, weder eine neue gesetzliche Regelung auf den Weg zu bringen noch in den eigenen Buden bessere Bedingungen zu schaffen.

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"Kein Wille zur Änderung", UZ vom 8. Juni 2018



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