Der griechische Olympiafeuer-Boykott 1984

Kein „Werbegag für Coca-Cola“

Von Klaus Huhn

Der IOC-Präsident – bekanntlich seit einiger Zeit der Bundesdeutsche Thomas Bach – hat enorme Freude bekundet, das sich Los Angeles um die Olympischen Sommerspiele 2024 beworben hat. Die Millionenstadt war bekanntlich schon zweimal Gastgeber der Spiele: 1932 und 1984. Beim ersten Mal verhinderte die Stadt den Untergang der Spiele, weil kaum jemand während der Weltwirtschaftskrise Geld für Olympia hatte und beim zweiten Mal sorgte Los Angeles dafür, dass die Spiele an den Rand des Abgrunds gerieten, weil man sie „privatisierte“ und dabei Millionengewinne erzielte.

Die damals geltende IOC-Charta schrieb vor, dass das IOC einen Vertrag mit der Regierung des Gastgeberlandes oder zumindest mit der Stadtverwaltung des Austragungsortes abzuschließen hat, der die Finanzierung der Spiele garantiert. Los Angeles aber hatte sich geweigert, dem IOC einen solchen Vertrag auszuhändigen und präsentierte stattdessen als „Garantiepartner“ ein privates Kommerzunternehmen. Wie hemmungslos die Vermarktung war, offenbarte bereits der traditionelle Fackellauf. Wer 3 000 Dollar bezahlte, durfte die Fackel eine Meile tragen. Das bewog auch die berüchtigsten Gangster des Landes, sich als Fackelläufer feiern zu lassen. Das Geschäft erwies sich als einträglich: 22500 Kilometer waren zurückzulegen und das ergab summa summarum 67,5 Millionen Dollar.

Allerdings: Ehe der Fackellauf gestartet werden konnte, musste das Feuer im antiken Olympia entzündet werden; und die Griechen weigerten sich strikt, die Zeremonie und die Tradition zu „verkaufen“. In den USA verbreitet man heute noch, dass die Weigerung dem kommunistischen Bürgermeister von Olympia zuzuschreiben sei, tatsächlich opponierte ganz Griechenland. Die Schauspielerin Aspasia Papathanasiou, die alle vier Jahre im Gewand einer Hohepriesterin das Feuer zu entzünden pflegte, begründete ihre Weigerung, für Los Angeles das Feuer zu entzünden mit den Worten: „Wir werden nicht zulassen, dass das Feuer, an dem auch die Kinder Hiroshimas ihre Gedenkkerzen entzündet haben, in einen Werbegag für Coca Cola umfunktioniert wird.“

Endlosen Verhandlungen zwischen Amerikanern und Griechen endeten ergebnislos. Die Gefahr, dass man in Los Angeles ohne das olympische Feuer auskommen müsste, schien nicht mehr abzuwenden. Die US-Amerikaner begannen heimlich in Griechenland Freiwillige anzuwerben, die gegen Dollargage das Feuer von Olympia nach Athen tragen sollten. Der griechische Leichtathletikverband reagierte augenblicklich: „Jeder Läufer, der sich daran beteiligt wird auf Lebenszeit disqualifiziert.“

Schließlich wurde das Feuer ohne jegliches Zeremoniell von Yankee-Managern entzündet, und die US-amerikanische Luftwaffe flog es von einem Militärflughafen mit einem Armee-Hubschrauber nach Athen und von dort in die USA.

Nachdem die Los-Angeles-Manager mit den Spielen Fabel-Gewinne erzielt hatten, kamen Bewerber in Scharen, aber bald ging das Super-Geschäft zu Ende, weil zu viele zu viel verdienen wollten. Die Absagen häuften sich. Darunter war auch Boston und als sich nun Los Angeles anmeldete, jubelte der IOC-Präsident. Angeblich seien die USA „dran“, obwohl 2016 die Spiele in Rio de Janeiro, also auf dem amerikanischen Kontinent stattfinden.

Die sozialistischen Länder waren – bis auf das dafür gut honorierte Rumänien – bekanntlich 1984 nicht am Start und noch heute wird behauptet, dass dies die „Revanche“ für den Boykott der Moskauer Spiele war. Tatsächlich deuten viele Fakten darauf hin, dass die nur 86 Tage nach den Spielen abgehaltenen Präsidentschaftswahlen manchen Schritt Washingtons erklären. Nachdem in Montreal 1976 die DDR in der Medaillenwertung vor den USA lag, hatte Präsident Ford eine Untersuchungskommission eingesetzt, die einen 900-seitigen Bericht über die Ursachen dieser Niederlage abgeliefert hatte. Dass zum Beispiel den DDR-Piloten untersagt worden war, einen Probeflug nach Los Angeles zu absolvieren, gehörte zu den vielen Hürden, die die USA montiert hatten und die am Ende zur Absage führten. Die DDR existiert nicht mehr – also kann Thomas Bach sich freuen …

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"Kein „Werbegag für Coca-Cola“", UZ vom 28. August 2015



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