Zum Kriegseintritt Russlands

Kein Vertrauen

Gert Ewen Ungar

In einem Interview mit dem Journalisten Pawel Sarubin für den Kanal „Rossija 1“ bedauert Russlands Präsident Wladimir Putin, die militärische Spezialoperation in der Ukraine nicht schon früher begonnen zu haben.

„Das Einzige, was wir wirklich bedauern müssen, ist, dass wir die militärische Intervention nicht früher begonnen haben und glaubten, es mit vertrauenswürdigen Menschen zu tun zu haben.“

Putin erinnerte in diesem Zusammenhang an die Minsker Vereinbarung. Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im vergangenen Jahr in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ gesagt, bei der Vereinbarung sei es nur darum gegangen, der Ukraine Zeit zu verschaffen, damit sie „stark werde“. Dass zudem weder Frankreich noch die Ukraine die Absicht hatten, Minsk 2 umzusetzen, haben daraufhin auch der an den Verhandlungen beteiligte ehemalige französische Präsident François Hollande und der damalige Präsident der Ukraine Petro Poroschenko eingestanden. Der Westen hatte an einer diplomatischen Lösung kein Interesse.

Die russische Opposition kritisiert Putin seit geraumer Zeit für sein zögerliches Handeln. Das zentrale Argument: Man wisse schließlich, dass der Westen kein zuverlässiger Verhandlungspartner sei. Nun bedauert Putin öffentlich sein Zögern.

Brisant sind zudem Aussagen, die Putin gegenüber dem US-Journalisten Tucker Carlson machte. Drei Tage nach Beginn der militärischen Spezialoperation in der Ukraine am 24. Februar 2022 begannen Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zunächst in Weißrussland. Sie wurden dann in der Türkei fortgeführt. Eine Vereinbarung mit für die Ukraine günstigen Bedingungen lag demnach unterschriftsreif vor. Nach Aussagen Putins forderten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als auch Kanzler Olaf Scholz, dass Russland vor der Unterzeichnung Truppen aus dem Großraum Kiew abzieht – als Zeichen des guten Willens. Russland habe sich darauf eingelassen. Drei Tage nach dem Rückzug machten die Bilder von Butscha die Runde. Russland wurde schwerer Kriegsverbrechen beschuldigt. Eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge in Butscha hat es nie gegeben. Regierungssprecher Steffen Hebestreit wies die Behauptung Putins als „Unsinn“ zurück. Ob man Scholz oder Putin für glaubwürdiger hält, muss freilich jeder für sich entscheiden. Klar dürfte dagegen sein, dass Deutschland in Russland als Verhandlungspartner kein Vertrauen mehr genießt.

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"Kein Vertrauen", UZ vom 23. Februar 2024



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