Sprengstoffanschlag auf Linkes Zentrum in Oberhausen: Prozess gegen zwei Tatverdächtige hat begonnen

Kein Verlass auf Behörden

Am Montag hat der seit Monaten erwartete Prozess gegen Thomas L. (50) und Nina S. (33) vor dem Landgericht Duisburg begonnen. Beiden Personen wird vorgeworfen, den Sprengstoffanschlag in der Nacht auf den 5. Juli 2022 auf das Linke Zentrum in Oberhausen verübt zu haben. Bei dem Angriff wurde eine unkonventionelle Brand- und Sprengvorrichtung verwendet, die die Außenfront und weite Teile der Inneneinrichtung des Ladenlokals der Partei „Die Linke“ und der Ratsfraktion Linke Liste zerstörte. Auch gegenüberliegende Geschäfte wurden in Mitleidenschaft gezogen. Der Tatvorwurf lautet auf Sachbeschädigung und Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz.

Rund dreißig Personen trafen sich am Morgen vor Prozessbeginn vor dem Gerichtsgebäude, um eine Protestkundgebung unter dem Motto „Rechte Anschläge aufklären! Braunen Sumpf trockenlegen!“ abzuhalten. Die Linke Liste kritisiert, dass Akteneinsicht und Prozesstermin viel zu spät gekommen seien, um sich auf den Prozess vorzubereiten.

„Wir wollen mit eigenen Augen sehen, was heute passiert, und wir wollen uns zeigen, denn wir sind diejenigen, die angegriffen wurden und denen ihr über viele Jahre liebevoll betriebenes Linkes Zentrum genommen wurde“, erklärte Fraktionsvorsitzender Yusuf Karaçelik in einer Ansprache.

Man wisse, dass man sich auf die Behörden nicht verlassen könne, trotzdem sollten sie ihren Job machen und der Aufklärung rechter Anschläge endlich mehr Priorität einräumen.

Zu Beginn und nach den Pausen wurden die Anwesenden während der Prozessbeobachtung durchsucht und die Personalausweise kopiert, wie es bei Staatsschutzprozessen üblich ist.

Dieses Vorgehen passt so gar nicht zu dem Versuch, den Prozess so unpolitisch wie möglich abzuhandeln. Die Anwälte der geständigen Neonazis erklärten, kein „Politikum“ aus dem Verfahren machen zu wollen. Das keine Neonazis im Zuschauerraum säßen, sei ein Beleg dafür, dass beide aus der Szene aussteigen wollten. Nach Ablehnung der beantragten Nebenklage und der Zusicherung des Richters, dass zivilrechtliche Ansprüche dennoch möglich seien, kam es zur Einlassung von L. und S.

Angeblich sei das braune Pärchen am Abend vor dem Anschlag bei dem ihnen gut bekannten Kevin C. gewesen, um dort den Abend zu verbringen. Während des Konsums mehrerer Betäubungsmittel hätten L. und C. den Sprengsatz gemeinsam gebaut. Gegen Mitternacht hätten sie die Wohnung verlassen und seien mit ihrem Hund mehrere Stunden „ziellos“ durch die Innenstadt gelaufen. Angeblich spontan und zufällig hätte L. seine Lebensgefährtin auf Höhe des Linken Zentrums in der Fußgängerzone aufgefordert, um die Ecke zu gehen und den Sprengsatz platziert. Nach dem lauten Knall seien in ihre gemeinsame Wohnung gegangen.

Dieser Darstellung widerspricht, dass bereits Stunden vorher ein Rauchtopf in der betreffenden Elsässer Straße gezündet worden war. Außerdem befand sich der wegen Sprengstoffdelikten sowie Waffen-, Drogen- und Falschgeldbesitz vor kurzem zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilte C. zur Tatzeit in Sizilien – zumindest hält die ermittelnde Einsatzkommission Elsass das für glaubhaft.

Aus diesem Grund wird der bereits inhaftierte Bombenbauer auch nicht weiter angeklagt in diesem Verfahren.

Erst als nach besagter Festnahme von C. der Chatverlauf ausgelesen wurde, tauchten Hinweise auf. Denn nachdem S. kurzzeitig bei C. eingezogen und sich dann wieder mit L. versöhnt hatte, gerieten die drei Personen in einen Streit über eine Playstation. Als S. ihm mit einer Anzeige drohte, bezeichnete er sie als rechte Terroristen und verwies auf die Sprengung des „Linke“-Büros.

Bei der anschließenden Hausdurchsuchung fanden die Beamten eine verwahrloste Wohnung vor, in der Hitler-Portraits, eine Hakenkreuz- sowie eine Reichskriegsflagge an den Wänden hingen. Dazu wurden Sprengstoffreste, zum Bau von Pyrotechnik geeignete Substanzen sowie eine große Anzahl von Hieb- und Stichwaffen beschlagnahmt. Auf den beschlagnahmten Festplatten wurden umfangreiche Anleitungen zum Bombenbau sichergestellt.

Beide Angeklagten behaupten, sich von der Neonazi-Szene lösen zu wollen beziehungsweise ihr gar nicht richtig anzugehören. L. behauptete, er sei eigentlich gar kein Rechter, habe sich aber aus der Haft heraus bei einem Aussteigerprogramm angemeldet. Von Staatsanwältin Hepe auf diese Widersprüchlichkeit angesprochen, gerät das mutmaßliche ehemalige FAP-Mitglied ins Stammeln.

S. hingegen ließ über ihren Anwalt verkünden, in der U-Haft ihrer Gesinnung abgeschworen zu haben, was sie ihrem Mitangeklagten per Brief mitgeteilt habe.

Die Angeklagte war erst im April vergangenen Jahres vor dem Amtsgericht Oberhausen wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Auf einem Facebook-Profil hatte sie einen SS-Totenkopf mit dem Slogan „Den Tod geben, den Tod empfangen“ gepostet. Auf ihrem beschlagnahmten Handy findet sich eine Chat-Nachricht, in der sie mit einem Zwinkersmiley versehen angekündigt hatte, „sich in einer Gruppe Juden in die Luft sprengen“ zu wollen, dies sei dann „Schmidties Ground Zero“. Nach dem vierstündigen Prozessauftakt bezeichnete Karaçelik die Prozessstrategie der Neonazis im Gespräch mit UZ als plump und durchsichtig. Es sei eine altbewährte Strategie von Neonazis, im Fall der Anklage ihrer Gesinnung abzuschwören, um Strafmilderung zu erhalten. Viel zu oft sei dies erfolgreich, weswegen die weitere Prozessbeobachtung sehr wichtig sei. Der nächste Prozesstag ist für den 20. August anberaumt.

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