Wir leben in einer gespaltenen Gesellschaft. Der größte Teil der Menschen geht derzeit voll Sorge zum Briefkasten und hofft, dass keine Post von den Stadtwerken darin ist mit Preiserhöhungen für Strom oder Gas. Sie könnten sie beim besten Willen nicht mehr bezahlen. Andere fischen die Mitteilungen ihrer Hausbank heraus und schauen, ob es nicht doch ein Häppchen aus den Fonds und Aktienanlagen gibt, die sie in den letzten Jahren gezeichnet haben. Davon können sich solche Leute offensichtlich ein gutes Leben machen und es lässt gleichzeitig die Profite sprudeln wie selten zuvor.
Zu den profitablen Unternehmen gehört Hymer Wohnmobile. Die Produkte dieses Unternehmens sind derzeit sehr beliebt, wie die „FAZ“ letzte Woche schrieb, obwohl man beim Wohnmobilhersteller unter 100.000 Euro nicht viel kriegt. Das geänderte Reiseverhalten vieler Deutscher in der Corona-Pandemie hat dem oberschwäbischen Unternehmen aus Bad Waldsee (Kreis Ravensburg) ein Rekordjahr beschert, Hymer gehört zu den Profiteuren von Corona. Die Luxus-Wohnwagen sind vollgepackt mit Fahrzeugelektronik und digitalen Entertainment-Systemen. Das geht so weit, dass ihr Gewicht so hoch ist, dass, wer damit durchs Land fahren will, einen Lkw-Führerschein braucht. Deshalb lassen die Hymer-Bosse ein niedrigeres Gewicht in die Fahrzeugbriefe schreiben. Schummeln wie bei VW: Das ist schlicht und ergreifend Betrug vor dem Gesetz und am Kunden.
Das Geschäft mit Luxusgütern ist generell sehr profitabel. Auch Audi hat sich – wie alle anderen Fahrzeuganbieter in der Corona-Krise – genau auf diese reiche Käuferschicht eingeschossen. Es zeigt sich am Konsum: Corona trifft nicht alle gleich. Mercedes, BMW und Audi priorisieren das Luxussegment und wollen auf diesem Wege mehr Geld verdienen. Die Modelle A1 und Q2 werden nicht mehr gebaut. „Volkswagen hat die Rolle seiner Tochterfirma Audi neu definiert“ schrieb dazu das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.
Zu den großen Gewinnen des Daimler-Konzerns tragen vor allem die teuren Modelle bei – bis hin zum Maybach, dem teuersten Auto von Mercedes-Benz. Das ist bei reichen Käufern im In- und Ausland heiß begehrt. Das Schreckgespenst der Lieferengpässe, das die deutsche Wirtschaft angeblich lähmt, ist inzwischen vor allem dafür gut, den Bürgerinnen und Bürgern Angst einzujagen. Den Bossen in der Autoindustrie kommt es gerade recht. Sie konzentrieren ihre Produktion auf die profitablen Modelle.
Die Hoffnung auf weiter satt sprudelnde Gewinne ist für die Automobilindustrie und auch andere Industriezweige gut. Autoindustrie und Zulieferer geben an, die vollen Auftragsbücher reichten für acht Monate. Im Maschinenbau reicht der Auftragsbestand für 6,1 Monate und bei Herstellern von Datenverarbeitungsgeräten für fünf Monate. Für das Kapital sind das fantastische Zustände, denn was derzeit ihre Profite auf hohem Niveau hält, ist kein Strohfeuer.
Anzeichen dafür, dass für die Arbeiterinnen und Arbeiter, die diese Luxusgüter produzieren, davon etwas abfällt, gibt es nicht. Das Gegenteil ist zu befürchten. Bereits jetzt klaut die Inflation den Beschäftigten quasi die Butter vom Brot. Die Inflation ist aber kein Naturphänomen. Sie wird vom Kapital gesteuert. Die Europäische Zentralbank folgt der US-Notenbank Federal Reserve und kündigte eine Tolerierung höherer Inflationswerte an: „Inflation nützt Schuldnern und schadet Gläubigern. Denn mit der Geldentwertung schrumpft auch der reale Wert von Forderungen.“ Die Geldentwertung liegt deutlich höher als vom Kapital zugegeben, auf Sparer kommen harte Zeiten zu.
Im Januar 2021 lag die Inflationsrate in Deutschland bei durchschnittlich 4,9 Prozent. Damit liegt sie bereits weit über den 2 Prozent, welche von der Europäischen Zentralbank angepeilt werden. Experten gehen davon aus, dass die höheren Energiepreise, steigende Transportkosten und weltweite Lieferengpässe weiterhin für Entwertung unseres Geldes sorgen. Dringend erforderlich ist es deshalb, dass in den anstehenden Tarifverhandlungen die Inflation eine entscheidende Rolle spielt. Angesichts von Inflationsraten von 5 bis 6 Prozent und sektoralen Preisanhebungen der Kosten von 15 bis 20 Prozent sind Lohnforderungen im zweistelligen Bereich erforderlich.
Das Statistische Bundesamt registrierte für das dritte Quartal des Jahres zwar einen Anstieg der Nominallöhne um 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zeitgleich lag die Inflationsrate aber ebenfalls bei 3,9 Prozent. Die Reallöhne stagnierten also. Im ersten Quartal sanken sie sogar um 2 Prozent. Bereits 2020 waren sie zurückgegangen.