„Wochenlang gab es keine Post“ – so oder so ähnlich heißt es in einigen Tageszeitungen bundesweit. Bislang traf das eher abgelegene Orte, einzelne Adressen und ähnliches. Aber was steht dahinter?
Zunächst ist es die Strategie der Deutschen Post, die Gewinne weiter zu steigern. Jeden Freitag erscheint betriebsintern eine „Mail von Frank“, in der der scheidende Postchef vor allem seine leitenden Kader im Weltkonzern auf Linie bringt. In der aktuellen werden die Geschäftszahlen für das zweite Quartal analysiert. Für den Bereich „Post und Paket Deutschland“ wird gemeldet, dass sich die Paketmengen auf dem Niveau des Corona-Jahres 2020 stabilisieren und die Briefmengen durch eine Zunahme von „Dialogmarketing“ leicht zunehmen. Dennoch sinke der Anteil am Gesamtumsatz. Dass dieser nicht noch schneller sinke, liege daran, dass „Kostendisziplin und Effizienzsteigerung“ dies verhinderten. Damit zeige sich, „wie wichtig diese Maßnahmen sind“. Übersetzen wir das Kapitalistendeutsch: Paket- wie Briefmengen nehmen zu, damit steigen auch die Einnahmen. Aber sie steigen geringer als in anderen Bereichen – da können wir noch mehr Profit machen. Deswegen müssen wir dort, wo wir zwar mehr Arbeit haben, aber weniger Profit machen, die Arbeit verdichten und verbilligen. In einem Betrieb wie der Post, der vor allem auf der „letzten Meile“ wenig technologisiert werden kann, kann das nur durch die Verbilligung der Arbeit und Verdichtung des Arbeitstaktes geschafft werden.
Wie sieht das im Einzelnen aus? Das Postaufkommen besteht zu einem riesigen Teil aus Werbesendungen. Diese werden von den Werbekunden eingeliefert. Die sogenannte „Dialogpost“ ist sehr billig, denn sie kommt in großen Mengen von den Konzernen, wohingegen die Briefe der Privathaushalte an die Privathaushalte ständig teurer werden. Auch das ist Teil der Strategie.
Nach der Einlieferung werden die Sendungen sortiert. In den Sortierzentren gibt es die ersten Personalengpässe durch eine rigide Einsparpolitik, so dass die Personalpolitik „auf Kante genäht“ ist. Kommt es hier zu Mehrausfällen durch die Corona-Pandemie oder Sommerferien, gehen erste Sendungen in die „Rückstellung“, werden also später sortiert. Aus den Sortierzentren gehen die eingelieferten Sendungen in den „Hauptlauf“, wie die Logistiker das nennen, und werden in die Sortierzentren vor Ort gebracht. Dort gibt es das gleiche Spiel – eine weitere Verzögerung ist möglich.
Bis vor einigen Jahren wurde in den Sortierzentren auch Sonntags gearbeitet, das kostete Sonntagszuschlag, vor allem bei den Gehältern der Beamten war das teuer. Es sicherte allerdings die schnelle Bearbeitung der Post. Für die Zusteller vor Ort bedeutete das, dass montags ein normaler Arbeitstag war. Für die Kunden bedeutete es, dass normal zugestellt wurde. Seit der Einstellung der Sonntagsarbeit ist der Montag ein sehr kurzer Arbeitstag, an dem nur noch wenig Post weggebracht werden kann. Das ist kosteneffizient und macht Arbeitsstunden frei, um die Bezirke insgesamt zu vergrößern, weil an anderen Tagen mehr Zeit für die Zustellung zur Verfügung steht, ohne die Wochenarbeitszeit zu verlängern.
Da die Arbeitsbedingungen in der Logistikbranche insgesamt und auch bei der Post als schlecht bekannt sind, fehlt es der Post ständig an Bewerbern – vor allem dort, wo die Ausbildung entsprechend lang ist. Händeringend werden Lkw-Fahrer gesucht. Touren, die nicht selbst gefahren werden können, müssen ausgelagert werden. In den entsprechenden Firmen ist hin und wieder mangelnde Routine und Ortskenntnis, häufig auch mangelnde Sprachkenntnis ein Problem. Bei den engen Arbeitstakten von Sortierung und Zustellung kann eine Stunde Verspätung dabei durchaus einen weiteren Tag Verzögerung bedeuten.
Dazu kommt, dass in den Zustellstützpunkten Kräfte in der Vorsortierung fehlen. Häufig wird gemunkelt, man wolle sie ganz einsparen und auch diese Arbeit an die Zusteller weitergeben. Die Bezirke wurden zudem „flexibilisiert“ und die Zusteller immer kürzer oder gar nicht angelernt. Und dann kam die Mehrbelastung durch die Pandemie und die Sommerferien hinzu.
Die Beschäftigten der Post leiden also – wie auch die Versorgung der Bevölkerung – unter dem ganz normalen kapitalistischen Wahnsinn.