6 000 Menschen forderten in München Antworten

Kein Schlussstrich

Von Gustl Ballin

Unter der Losung „Kein Schlussstrich! – NSU-Komplex aufklären und auflösen!“ fand am „Tag X“, dem Tag der Urteilsverkündung im Prozess gegen den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU), in München und bundesweit in weiteren Städten ein Aktionstag statt.

In München rief das „Bündnis gegen Naziterror und Rassismus“ zu einer Mahnwache vor dem Gerichtsgebäude und einer Demonstration von dort zum Bayrischen Innenministerium auf. An der Demonstration beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter rund 6 000 Menschen. DKP und SDAJ waren mit einem gemeinsamen Block auf der Demonstration vertreten.

Das „Bündnis gegen Naziterror und Rassismus“ stellte in seinem Aufruf klar,:„Unabhängig davon, welchen Ausgang der Prozess nimmt: Für uns bleiben mehr Fragen als Antworten. Wir werden daher zum Prozessende zusammen auf die Straße gehen. Denn wir werden den NSU nicht zu den Akten legen. Denn für uns bedeutet das Ende des Prozesses nicht das Ende der Auseinandersetzung mit dem NSU und der Gesellschaft, die ihn möglich machte: Wir wollen wissen, wer für die Mordserie, die Anschläge und den Terror verantwortlich ist.“ Das Bündnis kritisiert daher die Beschränkung der Bundesanwaltschaft auf das Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe und ihr nächstes Umfeld. Dabei ignoriert die Bundesanwaltschaft den Netzwerkcharakter. „Der NSU war keine isolierte Zelle aus drei Personen, der NSU war auch mehr als die fünf Angeklagten vor dem Oberlandesgericht.“, schreibt das Bündnis weiter. Nicht zuletzt habe die Arbeit der Nebenklage diese Grundannahme längst widerlegt. Ohne militante Nazi-Strukturen wie „Blood and Honour“, lokale Kameradschaften oder den „Thüringer Heimatschutz“ um V-Mann Tino Brandt und Ralf Wohlleben wäre der NSU schwer möglich gewesen. Die Aufklärung darüber wurde im Rahmen des Prozesses konsequent unterbunden. „Die eng geführte Anklageschrift der Bundesanwaltschaft und die Weigerung, der Nebenklage komplette Akteneinsicht zu gewähren“, hätten dazu maßgeblich beigetragen, so das Bündnis. Es gehe jetzt darum, die Betroffenen zu entschädigen und die Überlebenden und Hinterbliebenen zu würdigen, denn es war gerade das Umfeld der Mordopfer, das früh darauf bestand, eine rassistische Motivation für die Taten in die Ermittlungen einzubeziehen.

Nach fünf Jahren lasse sich „ein frustrierendes Fazit ziehen“, kommt das Bündnis zum Schluss: „Noch immer wird rechte Gewalt verharmlost, noch immer darf sich der Verfassungsschutz als Beschützer inszenieren, noch immer hat diese Gesellschaft Rassismus nicht überwunden, noch immer ist es nötig, auf den institutionellen Rassismus in Deutschland hinzuweisen, wie das erst jüngst die UN und Nichtregierungsorganisationen getan haben.“ Das müsse sich ändern, meint das Bündnis und verweist darauf, dass Initiativen wie „Keupstraße ist überall“ oder das „NSU-Tribunal“ es vorgemacht haben.

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"Kein Schlussstrich", UZ vom 20. Juli 2018



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