Derbysieg – ganz nüchtern

Kein Scheiß

Von Karl Rehnagel

„Intertank voll – ich noch nicht“ meldete der Bruder um 14.30 Uhr aus Berlin. „Hier auch voll – ich werd‘s nicht mehr“, hätte ich antworten können. Nachdem ich einmal mehr eine Erkältung verschleppt hatte (lernresistent?), hatte mich mein Arzt auf Antibiotikum gesetzt. Wahrlich keine Voraussetzung für einen berauschenden Nachmittag. Die schöne M. hatte zusätzlich einer dieser Tage erwischt, an denen sie außer „Ja“, „Nein“ und „Tschüss“ nichts von sich gibt. Puh. Der Laden war um das Fünffache eines normalen Spieltages gefüllt, wie immer gegen Bayern oder Schalke, aber auf diese Pseudofans kann man auch äußerst gerne verzichten. Was da an Dämlichkeiten durch den Raum gebrüllt wird, dürfte selbst so manchem Wutbürger bei Facebook zum Fremdschämen bewegen. Kein Scheiß.

Das Spiel war, von einigen derby­typischen Nicklichkeiten abgesehen, auch nicht wirklich berauschend. Schalke mit einem bemitleidenswerten „Spielaufbau“, den man wirklich nur in Anführungsstrichen schreiben kann. Dortmund, auf allen Positionen besser besetzt, tat eigentlich nur das Nötigste. Kaum Hurrafußball, vom kleinen Sancho mal abgesehen, der mit den Schalkern Pirouetten übte, dass jene wohl heute noch ziellos umhertorkeln und das Spielgerät suchen. Ansonsten kann ich mich aus Schalker Sicht an genau EINEN Torschuss erinnern, vom berechtigten Elfmeter mal abgesehen. Das zu wenig zu nennen wäre zu wenig. Dortmund hatte diverse Abschlüsse, zwei davon passten, fertig war es. Von der schönen M. gabs ein geflüstertes „Tschüss“, ich ging stocknüchtern nach Hause. Derbysieg fühlt sich normalerweise anders an. Kein Scheiß.

Einer der Aufreger des Spieltages war ein Post vom ehemaligen Dortmunder Kevin Großkreuz. Dieser gab auf Instagram ein Foto wieder, welches Mitglieder der rechten Hooligangruppe 0231 Riot zeigte, mit der Headline „#BandermannsAlptraum“. Bandermann ist ein Dortmunder Journalist, der sich klar gegen Rechts stellt und kürzlich über die rechten Bedrohungen gegen die BVB-Ultraszene geschrieben hatte (siehe UZ Nr. 47). Später „entschuldigte“ sich der gute Kevin („Egal was ich mache, es wird eh immer irgendwas bei mir gesucht“). Ziemlich schlecht. Ich mochte den Großkreuz eigentlich immer, aber auch der IQ einer Badezimmerfliese schützt einen nicht vorm eigenen Denken und Handeln. Kein Scheiß.

Derweil geht Frankfurt (0:1 in Berlin) und Leipzig (0:3 in Freiburg!) etwas die Puste aus, was bei deren Angriffsreihen ziemlich erstaunlich ist – wobei Frankfurt, laut meinem Arbeitskollegen D. zumindest, auch derbe benachteiligt wurde. Bayern und Gladbach blieben erfolgreich, allerdings auch gegen zwei der wirklich schwächsten Teams dieser Bundesligarunde (Nürnberg und Stuttgart). Beides sind einfach nur Pflichtsiege, wenn man oben dran bleiben will. Kein Scheiß.

Wie es jetzt weiter geht? So wie Dragoslav Stepanovic (Ex-Trainer Eintracht Frankfurt) einst sagte: „Was die nächste Woche bringt? Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag.“ Eben. Kein …

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"Kein Scheiß", UZ vom 14. Dezember 2018



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