Nach langem Zögern hat nun auch der israelische Ministerpräsident Netanjahu seinen Plan für die Zeit nach dem Krieg, dem „Tag danach“, vorgelegt. Raum für einen palästinensischen Staat gibt es in diesem Plan nicht.
In einer ersten Stufe werde Israel demnach seinen Krieg fortsetzen bis zum endgültigen Sieg, der Zerstörung der Hamas, ihrer Regierungsinstitutionen, der Befreiung der Geiseln und dem Ende aller Bedrohungen, die von Gaza ausgehen könnten.
Die israelische Armee werde in einer zweiten Stufe volle Handlungsfreiheit im Gazastreifen behalten – ohne zeitliche Begrenzung. Und schließlich werde Israel die Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westlich des Jordan bis zum Gazastreifen ausüben. Der Gazastreifen solle vollständig demilitarisiert werden – so dass dort nur Waffen der israelischen Armee präsent wären.
Die UNRWA – die wichtigste internationale Hilfsorganisation in Gaza – soll nach Willen der Regierung Netanjahu abgeschafft und durch einen anderen Mechanismus ersetzt werden. Eine Riege von Israel genehmen Technokraten solle regieren und die Bevölkerung entradikalisieren. Ein Wiederaufbau könne erst nach der völligen Entmilitarisierung von Gaza beginnen.
Details nennt dieser Plan nicht. So bleibt er bei der Beschreibung von Netanjahus Vision eines Israel „From the River to the Sea“.
Der frühere Generalstabschef und jetziges Mitglied des Kriegskabinetts Gadi Eizenkot – sein Sohn und sein Neffe starben im Dezember in den Kämpfen in Gaza – teilt Netanjahus Optimismus nicht. In einem Interview antwortete er auf die Frage, ob die Regierung der Öffentlichkeit die Wahrheit über den Kriegsverlauf mitteile, einfach: „Nein“. Zwar sei die Hamas vor allem im Norden des Gazastreifens massiv geschwächt, aber vom vollständigen Sieg über die Hamas zu sprechen sei ein Märchen. Und in einem Brief an das Kriegskabinett, der der Presse zugespielt wurde, erklärte er gar, in den Monaten des Krieges seien keine grundlegenden Entscheidungen getroffen worden. Der Krieg sei geführt worden ohne Schritte auf strategische Ziele hin zu erreichen.
Ausgerechnet der frühere Verteidigungsminister Benjamin Gantz, der sich in Wahlkämpfen schon mal ein fortschrittliches Gepräge gab, wurde jetzt der Mann fürs Grobe. Als Hauptansprechpartner der westlichen Unterstützer Israels hat er der „Hamas und der Welt“ ein Ultimatum gestellt. Entweder die Geiseln würden bis zum Beginn des Ramadan freikommen – oder Israel werde die Bodenoffensive in Rafah beginnen, wo jetzt schon eineinhalb Millionen Palästinenser in drangvoller Enge leben. Sie würden als Folge einer Offensive womöglich aus Gaza vertrieben – ganz im Sinne Netanjahus und gegen die offiziell verkündete Politik des Westens.
Bei den laufenden Verhandlungen über einen Waffenstillstand für Gaza zwischen Geheimdiensten und Regierungsvertretern aus Ägypten, Katar, Israel und den USA gibt es nach Medienberichten Fortschritte – der Austausch aller Geiseln bis zum Beginn des Ramadan ist aber kein Thema. Wie bei früheren Verhandlungsrunden ist das Ziel, einen Austausch der Geiseln gegen palästinensische Gefangene in Israel über mehrere Stufen zu erreichen. Und in einer ersten Stufe sollen die Hilfslieferungen massiv ausgeweitet werden.
Der Angriff auf Rafah werde in jedem Falle stattfinden, erklärte Netanjahu. Ein Deal in den Verhandlungen werde ihn allenfalls um einige Wochen verzögern.
Als Antwort auf Netanjahu und Gantz erklärte der Sprecher des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas: „Wenn die Welt Sicherheit und Stabilität in der Region will, muss sie die israelische Besatzung beenden.“