Trumps jüngste Entscheidung führt zu neuen Auseinandersetzungen

Kein Platz für Dreamer

Von Nina Hager

In den hiesigen Medien hört man derzeit kaum noch etwas über das Schicksal der sogenannten Dreamer in den USA. Die Auswirkung des schweren Hurrikans „Harvey“ in Texas und Oklahoma und die gewaltigen Zerstörungen, die „Irma“ in der Karibik und in Florida anrichtete, füllten in den vergangenen Tagen die Schlagzeilen. Doch in den USA selbst gehen die Debatten um Trumps Entscheidung zu den „Dreamern“ weiter.

„Dreamer“ nennt man jene Menschen, die als Kinder mit ihren Eltern illegal in die USA einreisten. Unter Präsident Obama gab es Bemühungen ihren Aufenthaltsstatus zu klären. Ein Gesetz scheiterte vor allem an der Mehrheit der Republikaner im Kongress. Daraufhin unterschrieb Obama im Juni 2012 einen Erlass, der mit dem DACA-Programm (DACA – Deferred Action for Childhood Arrivals) eine gewisse Klärung und Sicherheit brachte. Danach erhielten die „Dreamer“ für zwei Jahre ein Bleiberecht und eine Arbeitserlaubnis, die sich bislang unbegrenzt verlängern ließ, aber kein Einbürgerungsrecht. Die mehr als 790 000 Betroffenen gehören zu den insgesamt elf Millionen illegal Eingewanderten, die dauerhaft in den USA leben.

Präsident Trump, der schon früher bewiesen hatte, dass er fremdenfeindlich und ein Rassist ist, stoppte nun in der vorigen Woche fristlos das DACA-Schutzprogramm Obamas. Aufgrund seiner Entscheidung müssen die „Dreamer“ – die in den USA leben, lernen, arbeiten, das Land als ihre Heimat sehen – fürchten bald abgeschoben zu werden. Sie sind meist hochgebildet und hochmotiviert. Diese Menschen sollen in Länder abgeschoben werden, die sie nicht kennen, deren Sprache sie nicht sprechen. Die große Mehrheit der Betroffenen ist mexikanischer Abstammung. Während der Justizminister nach Trumps Entscheidung ankündigte, dass der Kongress in den kommenden sechs Monaten nach einer Lösung suchen müsse, twitterte Trump, die „Dreamer“ bräuchten sich keine Sorgen um ihre Zukunft zu machen – was für ein Hohn.

Es ist, trotz des Widerstandes selbst unter den Republikanern gegen die Entscheidung Trumps, aber wenig wahrscheinlich, dass der Kongress in den verbleibenden Monaten noch ein Gesetz verabschiedet, das den weiteren Aufenthaltsstatus der „Dreamer“ regelt. Dorothea Hahn, US-Korrespondentin der „taz“, nannte Trumps Verhalten „wie er mit dem Schicksal von Menschen spielt“ im „Deutschlandfunk“ eine „extreme Form der Niedertracht“. Hatte sie von ihm etwas anderes erwartet?.

Denn es war eben keine „Niedertracht“, die Trump zu dieser Entscheidung trieb, sondern durchaus Kalkül. Er erfüllte mit seiner Unterschrift vor allem ein Wahlversprechen, das er seiner ultrakonservativen und faschistischen Anhängerschaft gegeben hatte. Warum das aber ausgerechnet jetzt geschah, darüber wird viel gerätselt. Vor allem der ehemalige Chef-Stratege des Weißen Hauses, der Breitbart-Mitbegründer und jetzige Chefredakteur, Steve Bannon, kritisierte Trumps Vorgehen. Nicht nur, weil Trump seines Erachtens nicht weit genug ging. Ihn stört die eingeräumte Sechs-Monats-Frist. Und die Entscheidung jetzt zu treffen, sei zudem – mit Blick auf kommende Wahlen – unklug. Bannon glaubt wohl, auch angesichts des wachsenden Widerstandes im Land und möglicher Auseinandersetzungen unter den Republikanern in den kommenden Monaten, dass diese die Kontrolle über das Repräsentantenhaus verlieren könnten.

Dass es sofort nach Trumps Unterschrift Protest im ganzen Land gab, störte den US-Präsidenten offenbar wenig. Er versuchte inzwischen mit seinen Auftritten in den Katastrophengebieten und Versprechungen zu punkten. Die Proteste hatte er offenbar einkalkuliert. Zudem scheint er sich seiner Anhänger in dieser Frage sehr sicher. Dass der frühere Präsident Obama, Bernie Sanders oder selbst Politiker der eigenen Partei Empörung äußerten, bewegte ihn ebenso wenig wie die Proteste einiger Vertreter von großen, weltweit agierenden High-Tech- und Internetunternehmen wie Microsoft, Apple oder Facebook. Diese protestierten gegen das Vorhaben wohl aber vor allem, weil sie hochqualifizierte, hochmotivierte und gut eingearbeitete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren würden.

Doch es könnte passieren, dass Trump – wie im Zusammenhang mit dem Einreisestopp, der sich vor allem gegen Muslime richtete – vor Gericht verliert oder sich entsprechende Prozesse über Jahre hinziehen. In der vorigen Woche klagten 16 Bundesstaaten, darunter die Bundeshauptstadt Washington, gegen Trumps Entscheidung das DACA-Programm zu beenden. Chicagos Oberbürgermeister Rahm Emanuel erklärte die Stadt gar zur „Trump-freien-Zone“, wie er an alle „Dreamer“ twitterte: „Ihr seid in der Stadt Chicago willkommen. Das ist Euer Zuhause … Mittlerweile klagt laut „NBC-News“ auch der Staat Kalifornien. Dort leben ca. 250 000 der betroffenen „Dreamer“. Maine, Maryland und Minnesota schlossen sich dieser Klage an, die im Bundesgericht in San Francisco eingereicht wurde.

Und nach wie vor gehen Tausende in den USA auf die Straße – und das nicht nur gegen Trumps reaktionäre und menschenverachtende Entscheidung gegen die „Dreamer“.

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"Kein Platz für Dreamer", UZ vom 15. September 2017



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