Kein Paradigmenwechsel

Markus Bernhardt über den staatlichen Umgang mit den NSU-Morden

Im Bundesinnenministerium, Polizei- und sogenannten Verfassungsschutzbehörden zieht man offensichtlich bis heute keinerlei Konsequenzen aus dem mörderischen Treiben des neofaschistischen Terrornetzwerks NSU. So wurde jüngst bekannt, dass die Morde des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ von der Bundesregierung nicht einmal als politisch motivierte Gewalttaten geführt werden.

Zuerst hatte das Onlineportal ­t-online.de über diesen unsäglichen Zustand berichtet und zugleich herausgefunden, dass auch andere Straftaten der neofaschistischen Terroristen wie etwa die ihnen zugeschriebenen Sprengstoffanschläge und Bankraube in den Statistiken fehlten.

Der Skandal trat zutage, da die völkisch-nationalistische AfD eine parlamentarische Anfrage über politisch motivierte Gewalt seit dem Jahr 2000 an die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD gestellt hatte.

Gegenüber t-online schwadronierte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums, dass sich die Statistik aus den Zahlen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes für Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) speise, bei der es sich „um eine Eingangsstatistik“ handele und Straftaten daher nur nach ihrem ursprünglichen Eingangsverdacht erfasst werden. Da Änderungen nur bis zum 31. Januar des Folgejahres vorgenommen würden, dürfte sich an der Nichterhebung der NSU-Morde als „politisch motiviert – rechts“ wohl auch nichts mehr ändern. Interessant dürfte somit aber die Frage sein, ob die NSU-Morde auch künftig unter „organisierte Kriminalität“ oder „Ausländerextremismus“ gespeichert sind. Schließlich hatten die Polizeibehörden mit genau diesem Anfangsverdacht ihre Ermittlungen begonnen.

Der jetzt bekannt gewordene Umgang der Behörden und etablierten Politik dürfte indes kaum verwundern und stellt bestenfalls die Spitze des Eisbergs dar. Aber was will man auch von einem Beamtenapparat erwarten, der wie im Fall von Hans-Georg Maaßen in seiner – zumindest noch derzeitigen – Funktion als Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz als Politikberater für eine in weiten Teilen extrem rechte Partei auftritt und immer dann  die Augen verschließt, wenn Neonazis – vielleicht auch seine V-Leute oder sogar beides in Personalunion –, wie in Chemnitz geschehen, Hetzjagden auf vermeintliche Flüchtlinge durchführen und den sogenannten Hitlergruß zeigen? Solange sich diese Bundesregierung faktisch ein Bundesamt für Rechtsextremismus leistet, wohl eher nichts!

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"Kein Paradigmenwechsel", UZ vom 28. September 2018



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