Ein Gespräch mit dem Kreishandwerksmeister Karl Krökel

Kein Krieg ist unser Krieg

Im Juni 2022 wandte sich die Kreishandwerkerschaft Dessau-Roßlau erstmals mit einem Obermeisterbrief an die Öffentlichkeit. Darin forderte Handwerksmeister Karl Krökel gemeinsam mit seinen Kollegen einen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine, das Ende der völkerrechtswidrigen Sanktionspolitik und Friedensverhandlungen. Im Sommer vergangenen Jahres entstand daraus die Initiative „Handwerker für den Frieden“. Seitdem kam es zu zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen dieser Initiative, aber auch vielfach zu Anfeindungen und Diffamierungen. Für den 18. November laden die Handwerker zu einer Kundgebung auf dem Dessauer Schlossplatz ein.

UZ: Herr Krökel, vor 18 Monaten haben Sie mit Ihrem Engagement für den Frieden bundesweit Bekanntheit erlangt. Wie waren Ihre Erfahrungen?

Karl Krökel: Überraschend war die durchweg positive Resonanz auf die weiteren 25 Demonstrationen wie in Berlin, Oranienburg, Halle, München, Hamburg und Schwedt. Ich habe auch gerne Einladungen zu Vorträgen in Bremen und Hamburg angenommen. In Bremen ging es um die Frage „Wirtschaftskrieg gegen Russland und China – Bumerang für unsere Wirtschaft?“ und in Hamburg am 2. Oktober um das Thema „Tag der Deutschen Einheit – Wiedervereinigung – Verrat am Friedensangebot Gorbatschows durch NATO-Osterweiterung“. Der „Handwerker-Friedenskongress“ am 2. April in Dessau-Roßlau war mit über 200 Teilnehmern aus ganz Deutschland und der Schweiz ein voller Erfolg.

UZ: Im Aufruf zur Kundgebung am 18. November spielt die wirtschaftliche Entwicklung eine große Rolle. Wie hat sich die Situation der Handwerker im vorigen Jahr entwickelt?

Karl Krökel: All das, was wir in unserem Obermeisterbrief an die Regierung vom 14. Juli 2022 vorausgesagt haben, ist leider eingetreten. Die falsche Sanktionspolitik ist eindeutig gescheitert. Leidtragende sind unsere Bürger und unsere Wirtschaft. Wir werden jetzt und in Zukunft den Preis für diese Sanktionen bezahlen. Selbst der Rückzug von VW, BMW, Mercedes oder Renault – um ein Beispiel zu bringen, welches auch das Handwerk betrifft – zeigt kaum Wirkung. Die russische LADA-Produktion in Togliatti läuft auf Hochtouren, trotz Sanktionen – zur Not gibt es eben mal kein ESP und ASP. Im Moskauer Renault-Werk wird mit Unterstützung Chinas eine neue Generation der Traditionsmarke Moskwitsch entstehen. Alles keine Hightech-Produkte, aber sie werden ihren Zweck erfüllen. Die Preisexplosionen auf dem Energiemarkt belasten alle Bereiche der Wirtschaft, besonders aber diejenigen mit hohem Energiebedarf – egal ob Glashersteller, Metallschmelzer, Gießereien oder den Bäcker von nebenan.

UZ: Sie fordern auch „bezahlbare Lebenshaltungskosten“. Wie wirken sich der Krieg und die Sanktionen auf die soziale Lage im Land aus?

Karl Krökel: Indem wir praktisch Geld für gar nichts anderes mehr übrig haben. Nicht genügend für den Unterhalt von Krankenhäusern, nichts für ausreichend Lehrer an den Schulen und so weiter. Die Tafeln knicken unter der Last der Bedürftigen ein. Seit Beginn des Ukraine-Krieges verzeichnen die Tafeln 50 Prozent mehr Kunden. Sie versorgen derzeit bis zu zwei Millionen Menschen mit Lebensmitteln. Dieser soziale Krieg gegen die eigene Bevölkerung ist eine Politik, die die Infrastruktur in Deutschland weiter kaputt kürzt und uns als Industrieland massiv gefährdet. Die Mieten fressen bald die Hälfte des Monatslohns. Die Gas- und Strompreise sind so hoch, dass immer mehr Menschen die Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Der Deutsche Mieterbund spricht hier von Millionen. Die Strompreise in Deutschland sind fast dreimal höher als im internationalen Durchschnitt. In den USA müssen private Verbraucher nicht einmal die Hälfte dessen zahlen, was Verbraucher hierzulande schultern müssen. In Saudi-Arabien, Russland, Mexiko oder China werden weniger als 10 Cent für eine Kilowattstunde Strom fällig. Es ist wirtschaftspolitischer Irrsinn, der da getrieben wird.

UZ: Die Ampel-Regierung wie auch die Oppositionsparteien scheinen sich bei Aufrüstung und Kriegspropaganda gegenseitig überbieten zu wollen. Welche Aufgaben sehen Sie für die Friedensbewegung?

Karl Krökel: 1989 lag der Frieden auf dem Verhandlungstisch Europas. Der Aufbau einer kooperativen, kontinentalen Friedensordnung – jenes „Europäische Haus von Lissabon bis Wladiwostok“, von dem Michail Gorbatschow stets sprach.

Unsere Position ist nach wie vor eindeutig: Kein Krieg ist unser Krieg – auch der in der Ukraine nicht! Schluss mit den Waffenlieferungen! Errichtung einer Europäischen Friedens- und Sicherheitsordnung!

Stattdessen hat die Bundesregierung Entwicklungen gefördert, die hinsichtlich ihrer Wunschziele – vorgegeben durch die USA – die Gefahr immer weiter erhöhen, Deutschland am Ende doch noch direkt am Krieg in der Ukraine zu beteiligen. „Handwerker für den Frieden“ werden im Rahmen der Friedensbewegung weiter für eine soziale, ökologische und demokratische Bundesrepublik Deutschland eintreten – als Teil einer gerechten Weltordnung ohne Krieg, Hunger und Ausbeutung.

UZ: Wie werden die „Handwerker für den Frieden“ konkret weitermachen?

Karl Krökel: Wir werden weiter für etwas geradestehen, was die „Handwerker für den Frieden“ auf vielen Kundgebungen in Deutschland immer und immer wieder vertreten. Dieser Verantwortung stellen wir uns aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Wir müssen uns heute wieder mehr wehren, um unserer eigenen Meinung Gehör zu verschaffen, denn ein einseitiges Meinungsklima hat ganz konkrete Auswirkungen auf die Gesellschaft. Wenn einseitig gesprochen wird, dann kommen auch einseitige, falsche Entscheidungen zustande. Deshalb sagen wir: Auch im Nahost-Konflikt darf sich die Regierung nicht auf die Seite der Gewalt stellen. Auch hier wollen wir unsere Forderungen auf die Straße bringen, ohne als antisemitisch oder Terrorunterstützer denunziert zu werden.

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"Kein Krieg ist unser Krieg", UZ vom 10. November 2023



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