Bundesregierung präsentiert harmlosen Klimaschutzplan

Kein Kohleausstieg

Von Bernd Müller

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat auf der UN-Klimakonferenz in Marokko den deutschen Klimaschutzplan präsentiert. Die Strategie zum CO2-Sparen sei eine „klare Ansage“, dass Deutschland die Ziele des Klimaabkommens von Paris ernst nehme, sagte die SPD-Politikerin am Montagabend in Marrakesch laut Deutscher Presseagentur.

Zuvor hatte das Regierungskabinett den Plan formell beschlossen, um den die Ministerien über ein halbes Jahr gestritten hatten. Dieser Streit zeige, dass die deutsche Wirtschaft Beschlüsse zum Klimaschutz inzwischen ernst nehme, so die Umweltministerin. Während sie schon einen „tiefgreifenden Umbau“ von Wirtschaft und Gesellschaft am Horizont zu erkennen glaubt, misstrauen Umweltverbände den Regierungsabsichten. Der vereinbarte Plan sei „Klimaschutz von Gnaden der Industrie und Kohlelobby“, hält Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), dagegen. Diese hätten noch in den letzten Stunden vor Verabschiedung etliche Geschenke hineinverhandelt.

Tatsächlich war Hendricks mit ihren ursprünglichen Plänen bei mehreren Kabinettskollegen auf heftigen Widerstand gestoßen, auch bei ihrem SPD-Parteikollegen Sigmar Gabriel. Im Ergebnis wurden die Vorgaben für die Industrie gelockert. Ebenso wurde ein geplanter Passus, der vor neuen Braunkohletagebauen warnte, gestrichen.

Der Klimaschutzplan 2050 legt erstmals fest, wie viel Treibhausgase einzelne Sektoren wie Landwirtschaft, Verkehr oder Energieerzeugung einsparen müssen, damit Deutschland bis zur Mitte des Jahrhunderts annähernd klimaneutral wird. „Das groteske Geschacher des Wirtschaftsministers und der Union um den Klimaschutzplan 2050 hat dem Ziel eines effektiven Klimaschutzes schwer geschadet“, sagte Weiger. Gemessen an den Verpflichtungen von Paris sei der Klimaschutzplan nicht der notwendige Schritt nach vorn. Leider hätten es Minister Gabriel und die Unionsfraktion in Kauf genommen, alle relevanten Ziele und Maßnahmen zu verwässern. Die Klimaziele für die Industrie seien um vier Prozentpunkte abgeschwächt worden, auch der Energiesektor müsse weniger leisten als in früheren Versionen vorgesehen.

Wie es die Bundesregierung gewährleisten will, dass die ohnehin schon verwässerten Vorgaben überhaupt eingehalten werden, bleibt bisher unklar. Auf Sanktionen oder Strafen hat sie verzichtet. Denn, so die Umweltministerin, die Strategie sei kein Gesetz, sondern solle lediglich Orientierung für strategische Entscheidungen bieten.

In besonderem Maße kritisieren Umweltverbände, dass der Kohleausstieg in den Plänen der Regierung kaum noch eine Rolle spielt. Stattdessen wird wieder versucht, Umweltschutz gegen den Erhalt von Arbeitsplätzen auszuspielen. So heißt es: „Es muss vor allem gelingen, in den betroffenen Regionen konkrete Zukunftsperspektiven zu eröffnen, bevor konkrete Entscheidungen für den schrittweisen Rückzug aus der Braunkohlenwirtschaft erfolgen können“. Das hatte vor allem Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel durchgesetzt. Am Kohleausstieg gehe aber kein Weg mehr vorbei, argumentiert Weiger. „Die nächste Bundesregierung muss zuerst das Ende der Kohle einleiten, sozial verträglich, aber konsequent“, so der BUND-Vorsitzende.

Es sei zwar ein wichtiger Schritt gewesen, auch für die Sektoren Verkehr und Landwirtschaft Ziele zu definieren, aber diese müssten auch mit Maßnahmen unterlegt werden. Dort wird wohl auch in absehbarer Zeit nicht viel zu erwarten sein. Bei der Landwirtschaft habe sich Agrarminister Christian Schmidt für den größtmöglichen Stillstand eingesetzt. Der Minister müsse endlich seinen Kopf aus dem Sand ziehen und wirksame Maßnahmen für mehr Klimaschutz auflegen, so Weiger. „Dringend erforderlich sind die deutliche Reduzierung der Tierbestände, das Ende der Überdüngung und 20 Prozent Ökolandbau bis zum Jahr 2030.“

Ebenso im Verkehrssektor: Bisher sei hier kein Gramm Kohlendioxid eingespart worden, und im Flugverkehr wüchsen die Abgasmengen weiterhin enorm an. Der Schiffs- und Flugverkehr müsste endlich mit strengen Klimazielen in die Pflicht genommen werden, fordert der BUND-Vorsitzende.

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"Kein Kohleausstieg", UZ vom 18. November 2016



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