Wer ihn nicht kennt, liest entweder keine Fachpresse zu Heavy Metal und Hardrock,oder besorgt den Einlass seiner Braunschweiger Stammhütte „Hotel 666“. Eigentlich sollte der ansässige, regelmäßig für „junge Welt“, „NZZ“, „Taz“, aber auch Fachpresse wie „Rolling Stone“ schreibende Frank Schäfer dort längst per Gesichtserkennung an der Garderobe durchgewunken werden, aber: „Dass sie einen zappeln lassen, gehört zu den Usancen bei Hotel 666, dem einzigen Verein, dem ich je beitreten würde, weil er eine ausreichende Versorgung der Braunschweiger Haushalte mit dem Lebenswichtigen garantiert: Krach.“ Ein neckisches Geduldsspiel, aber eines wie am Einlass eines Gotteshauses, bei dem der strenggläubige Schäfer sich sicher sein kann, dass ihm die Messe nicht verwehrt wird. Denn, wie heißt es bei der schwedischen Power-Metal-Band Steel Attack: „The heavy metal god will wait!“
Die Tanzeinlagen bei Akkreditierungen und Gästelistenplätzen kehren wieder in den „Metal Stories“, die nun der Berliner Satyr-Verlag herausgebracht hat. Stories sind die hier zusammengetragenen, formal so diverse wie schön verfassten Texte des Vielschreibers (zuletzt bei Reclam erschienen: „AC/DC. 100 Seiten“) allesamt: Anekdoten, die auch als autofiktionale Kurzgeschichten passieren, Konzertberichte, Rezensionen, aber auch ein Interview mit Tätowierer und Schlagzeuger der Essener Thrasher Kreator, Jürgen „Ventor“ Reil, und sogar ein Glossar zur Band Kiss. Die habe „den Brecht-schen V-Effekt gewissermaßen ab Proberaum eingebaut“, heißt es in „Kissology“ unter Y wie „You wanted the best …“, gleich nachdem Schäfer Kiss unter X wie „X-Mas“ trotz all der Geldgeilheit Gene Simmons („Der mammonistische Kopf der Band) und Co. zugute hält, nie ein Weihnachtsalbum herausgebracht zu haben. Es hätte sicher die Welt erobert, mit Ausnahme vielleicht der DDR, wo Kiss im Format „Tendenz Hard bis Heavy“ des Jugendradiosenders DT 64 zwar lief, man sich jedoch nicht um Lizenzen zur Herstellung und Vertreibung von Schallplatten bemühte, wie etwa im Fall von AD/DCs Album „Highway to Hell“. „Angeblich wegen der SS-Runen“, die die (teils mit jüdischen Musikern besetzte) Band im Logo trägt und damit schon allein deshalb keinen politischen Bezug intendierte, weil der vielleicht schlecht fürs Geschäft wäre. „Es lag vielleicht auch daran, dass Kiss die Ideologie des Klassenfeindes in einer Weise repräsentierten wie nur wenige andere Bands. Das, oder ein SED-Funktionär fand die Songs zu flach.“ Sich für AC/DC und gegen Kiss entschieden zu haben mag eine seiner Leistungen sein, die wir mit dem Sozialismus eingebüßt haben.
Frank Schäfers Story-Sammlung ist reich an trockenem Humor, auch wenn vor der Bühne dann doch üblicherweise nicht wenig Bier gekippt wird, wenn man nicht grad die Nackenmuskulatur beim Headbangen beansprucht. So erfährt man alles über das überzüchtete Spezialistentum von Metalnerds, wenn da eine alte Kutte mit Fachwissen über „diese totalen New-Wave-of-British-Heavy-Metal-Legenden“ protzen will, die auf einem entsprechenden Festival fürs Puristenpublikum spielen sollen, und die „damals nur eine EP gemacht haben“, ehe er aber von einem Nochbesserwisser aus der Runde korrigiert wird („Zwei!“) und darauf peinlich-berührtes Schweigen folgt.
Wissen, nur ohne derlei Arroganz vermittelt, findet sich einiges in „Nötes of a Dirty Old Fan“, etwa wenn es um die Entstehungsgeschichte von Deep Purples „Smoke on the Water“ geht, „einen der auratischsten Songs der Hardrock-Historie, dessen Eingangsriff als Propädeutikum für Gitarrenklippschüler jahrzehntelang so gute Dienste geleistet hat, dass er in allen Instrumentengeschäften dieser Erde schon lange bei Höchststrafe verboten ist“.
Eine Höchststrafe wiederum wäre es, Frank Schäfers „Nötes of a Dirty Old Fan“ zu verschmähen. Von einem, der sein Leben dem wohltemperierten Krach verschrieben hat und uns mit seinen Storys dran teilhaben lässt.
Frank Schäfer
Nötes of a Dirty Old Fan. Metal Stories
Satyr-Verlag, 176 Seiten, 16 Euro