In Bonn wurde der Entwurf für einen Weltklimavertrag erarbeitet

Kein großer Wurf

Von Bernd Müller

Bei den Klimaverhandlungen in Bonn haben sich jetzt Diplomaten aus 196 Ländern auf einen Vertragsentwurf für die Weltklimakonferenz in Paris geeinigt. Der große Wurf ist ihnen allerdings nicht gelungen, und viele Fragen bleiben vorerst noch ungeklärt.

Dank dem Druck von mehr als 130 Entwicklungsländern sei der Vertragsentwurf zum Teil verbessert worden, erklärte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Derzeit gebe es allerdings „wenig Hoffnung, dass das Klimaabkommen noch zu einem Meilenstein in der internationalen Klimapolitik wird“. Der Entwurf gleiche bisher eher einem Gemischtwarenladen als einem wirksamen völkerrechtlichen Vertrag, da viele gegensätzliche Positionen in den Entwurf hineingeschrieben wurden.

Viele wichtige Fragen sind aber immer noch nicht geklärt

Eigentlich sollten die Diplomaten ihren Ministerien für Paris einen möglichst knappen Entwurf erarbeiten, aber damit sind sie gescheitert. In den fünf Tagen der Konferenz in Bonn wurde der Text von 20 auf 51 Seiten aufgebläht und enthält nun deutlich mehr Passagen in eckigen Klammern, die umstrittene Formulierungen kennzeichnen.

Mit dem Ziel, die Erderwärmung zu begrenzen, fängt das Durcheinander an: Hatten sich die Staaten bisher darauf verständigt, die durchschnittliche Erwärmung der Erdatmosphäre auf zwei Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts zu begrenzen, findet sich jetzt in dem Entwurf auch das deutlich schärfere, aber wohl kaum umsetzbare Ziel, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken.

In ähnlicher Weise spiegelt der Entwurf die tiefen Gräben wider, die sich bei einigen politischen Grundsatzfragen zwischen den 196 Staaten auftun. So hatten eigentlich die Industriestaaten vor sechs Jahren versprochen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren, um vom Klimawandel betroffene Länder dabei zu helfen, sich an die neuen Verhältnisse anzupassen und Schäden zu kompensieren. Doch diese Position wird immer schwammiger. Nun fordern sie, dass auch andere „Länder, die in der Lage sind, dies zu tun“, Geld bereitstellen. Dazu würden dann auch Singapur und reiche Öl-Staaten wie Saudi-Arabien zählen, deren Bruttoinlandsprodukt höher liegt als das zahlreicher EU-Länder. Dagegen vertreten die 134 Entwicklungsländer der G77-Staatengruppe und China weiterhin den Standpunkt, einzig die Industriestaaten müssten die Summen mobilisieren.

Ein anderer Streitpunkt in diesem Zusammenhang ist die Frage, wie private Investitionen dabei gezählt werden. So berichtet das Online-Magazin klimaretter.info darüber, dass einem Bericht der OECD zufolge bereits im letzten Jahr 62 Milliarden Dollar von den Industriestaaten in die Entwicklungsländer geflossen seien. Die Europäische Union zeigt sich zufrieden damit und meint, „dass wir auf dem Weg sind, das 100-Milliarden-Versprechen einzuhalten“. Vertreter aus Entwicklungsländern zeigen sich dagegen skeptisch, da der Bericht nicht von den Mitgliedsländern der UN-Klimakonvention in Auftrag gegeben worden sei. Vertreter der EU sind sich sicher dabei, dass es ohne die privaten Investitionen von Banken und Konzernen nicht zu schaffen ist. Dass allerdings dabei hunderte Millionen Menschen ihrer Existenzmöglichkeiten beraubt werden könnten, wird seitens der EU leichtfertig übersehen.

Auch am Beispiel der Schäden und Verluste (Loss and Damage) durch den Klimawandel lässt sich der Interessenskonflikt erkennen. Die ärmsten Länder, die zudem am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, forderten in Bonn die Industrieländer auf, sich endlich zu einem Mechanismus zu bekennen, wie Schäden durch den Klimawandel kompensiert werden können. Dieser soll dann in Paris im Klimaabkommen verankert werden. Den Industriestaaten ist aber nicht wohl dabei, und sie wollen dieses Thema aus dem Vertrag heraushalten, könnte sich dieser Mechanismus doch leicht in ein Fass ohne Boden verwandeln, wenn sich der Klimawandel weiter verstärken sollte.

Zentraler Bestandteil des Abkommens sind die freiwilligen Zusagen der Staaten zur Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen, und dieser bleibt nach wie vor ein Streitpunkt. Zwar haben inzwischen mehr als 150 Staaten ihre Pläne eingereicht. Doch Wissenschaftler warnen, dass die bisherigen Zusagen allenfalls ausreichen würden, die Erderwärmung um drei Grad zu begrenzen. Das ist auch den verantwortlichen Politikern bewusst (UZ berichtete am 09. Oktober). So hegt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die Hoffnung, dass die Staaten ihre Zusagen im Laufe der Zeit erhöhen werden. Doch bisher ist noch nicht einmal klar, ob und wie überprüft werden soll, ob ein Staat seine bisherigen Zusagen überhaupt einhält.

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"Kein großer Wurf", UZ vom 30. Oktober 2015



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