Es war ein betriebsames Wochenende für die Diplomatie. Die USA stellten am Freitag vor zwei Wochen einen Resolutionsentwurf für einen Waffenstillstand in Gaza im Sicherheitsrat der UN zur Abstimmung. Er scheiterte am Veto von Russland und China. Israel musste einem Verhandlungsvorschlag der USA zustimmen, der bei seiner Umsetzung vielen verhafteten Palästinensern die Freiheit gegeben hätte, der Hamas aber nicht weit genug ging. Und schließlich stellte am 25. März Algerien eine Resolution zur Abstimmung. Die USA legten überraschend kein Veto ein und so rief der Sicherheitsrat zum ersten Mal zu einem sofortigen Waffenstillstand in Gaza auf – mit 14 von 15 Stimmen.
Der algerische Resolutionsentwurf war mit Unterstützung nichtständiger Mitglieder des Sicherheitsrates und der Gruppe arabischer Staaten entwickelt worden. Anders als der Entwurf der USA drei Tage zuvor enthielt er sich jeglicher Polemik und Schuldzuweisungen und stellte drei Forderungen in den Mittelpunkt: Sofortiger Waffenstillstand während des Ramadan, bedingungslose Freilassung aller Geiseln und umfassende Hilfslieferungen. Das Besondere am algerischen Entwurf: Es gab keine Verknüpfung von Waffenstillstand und der Freilassung der israelischen Geiseln.
Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte nach der Annahme der Resolution, die USA hätten ihre bisherige Politik gegenüber dem Krieg und der Hamas geändert. Aus Protest dagegen wurde der geplante Besuch einer israelischen Delegation in den USA zunächst gestoppt. Sie hätte das weitere Vorgehen Israels in Rafah mit der Regierung in Washington abstimmen sollen. Doch diese Pause dauerte nur kurz an. Bald bat die israelische Seite doch um einen Termin für die Gespräche. Schließlich ist die Unterstützung der USA für Israel in diesem Krieg unverzichtbar.
Der israelische Kriegsminister Joaw Gallant war seinerseits in Washington, um die israelische Position deutlich zu machen. Israel müsse Rafah besetzen, um die Hamas endgültig zu besiegen, ein langfristiger Waffenstillstand sei daher nicht möglich.
Er traf damit auf offene Ohren in der US-Regierung. Sie gab sich überrascht von Netanjahus erster Reaktion auf die Abstimmung im Sicherheitsrat. Es sei eine Überreaktion – die US-Politik habe sich keineswegs geändert. Und tatsächlich hat sie sich nicht geändert. Sie liefert weiterhin Waffen und Unterstützung für den Krieg Israels und „versteht“ auch – wie israelische Medien berichten –, warum Israel die Rückkehr der Einwohner in den Norden des Gaza-Streifens verhindern will. Gerade jetzt hat die Biden-Regierung weitere Lieferungen von schwersten Bomben und Kampfflugzeugen nach Israel genehmigt. Dieses „Verständnis“ garantiert, dass Netanjahu den Krieg weiterführen kann – trotz der UN-Resolution. Nur die ganz große Offensive auf Rafah und die Vertreibung der Bevölkerung sollen vorerst vermieden werden. Und am Ende geht es immer wieder um den Versuch, den Krieg besser zu verkaufen.
Trotzdem gehen mehr Menschen in Israel in Protesten gegen Netanjahu und seine Politik auf die Straße als je seit Oktober.
In Kairo werden mittlerweile die Verhandlungen über einen Waffenstillstand fortgesetzt – und am Montag dieser Woche trafen sich Vertreter der USA und Israels, um den Angriff auf Rafah zu diskutieren.
Der algerische Vertreter bei den UN hatte mit der Annahme der – völkerrechtlich verbindlichen – Resolution bereits den Frieden in greifbarer Nähe gesehen. Doch der Krieg ging nach der Annahme der Resolution so weiter wie zuvor. Kein Wunder: die USA halten in den Worten ihrer Botschafterin bei den UN die Resolution für „nicht bindend“.