Fünf Thesen zur Konferenz „Was tun?! DIE LINKE in Zeiten des Krieges“

Kein Bündnis mit dem Hauptfeind

Am vergangenen Samstag trafen sich rund 240 Mitglieder der linken Opposition in der Partei „Die Linke“ zum „Was-tun?!“-Kongress in Hannover. Über den Verlauf der Konferenz berichtet UZ in der Ausgabe vom 12. Mai. An dieser Stelle dokumentieren wir die Rede der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen.

Erstens:
Im Zuge des Krieges in der Ukraine hat sich die Tendenz beschleunigt, dass DIE LINKE von Führungspersönlichkeiten aus von einer Friedens- in eine Kriegspartei verwandelt werden soll. DIE LINKE vollzieht im Zeitraffer eine Entwicklung der SPD und der Grünen hin zu einer Akzeptanz und Einforderung einer militarisierten deutschen Außenpolitik. Wie bei den Grünen ist zu beobachten, dass man sich in der Tradition von Konvertiten des Krieges an die Spitze der Kriegsparteien in Deutschland zu setzen versucht. Stichworte: Wirtschaftskrieg gegen Russland, Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, die Heiligung der NATO und zuletzt ein Ja zu Auslandseinsätzen, zu robusten Kampfeinsätzen der Bundeswehr.

Die Entwicklung der SPD und der Grünen beobachtend, hatten wir in der Vergangenheit immer von „Türöffnern“ und „Rutschbahnen“ gewarnt. Bei der Linken kann man die Türen fast nicht mehr zählen, die geöffnet wurden, und, wie gesagt, man hat den Eindruck, dass die Geschwindigkeit auf der Rutschbahn fast täglich erhöht wird.

Ganz konkret: Wer in der Vergangenheit im Vorfeld des 1. Mai im Ticker der Agenturmeldungen nach der LINKEN suchte, fand Forderungen nach höheren Löhnen, sicheren Renten und einer friedlichen Außenpolitik. In diesem Jahr 2023 war das zum ersten Mal anders. Die Schlagzeilen beherrschten die Forderung einer ehemaligen Vorsitzenden der Linken nach Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet, ganz konkret in die Ukraine.

Zweitens:
Dieser Bruch mit dem friedenspolitischen Grundkonsens der LINKEN blieb – wie auch die vielen vorangegangenen Brüche ganzer Landesverbände etwa in Bremen oder Thüringen mit ihren Forderungen nach Rüstungsexporten – unwidersprochen von der so genannten Führung der Partei. Im Gegenteil befeuert die stellvertretende Parteivorsitzende Schubert, die geistig längst bei der FDP-Rüstungslobbyistin Strack-Zimmermann und dem Panzer-Toni Hofreiter von den Grünen angekommen ist, mit ihrem Ruf nach Waffenlieferungen den Programmbruch.

Mit diesem Ruf nach Waffenlieferungen gleicht die Linke sich an den Mainstream der Kriegsparteien im Land an. Sie ruft neben ihrer Forderung, den selbstzerstörerischen Wirtschaftskrieg gegen Russland zu intensivieren, Stichwort des Parteivorsitzenden: ‚Sanktionen besser durchsetzen‘, zu einer Beteiligung Deutschlands über die Waffenlieferungen am NATO-Stellvertreterkrieg unter US-Führung gegen Russland auf.

Um mit Karl Liebknecht zu sprechen: Diese LINKE sucht das Bündnis mit dem Hauptfeind, der im eigenen Land steht.

Drittens:
Bei ihrem Akkommodieren mit herrschenden Positionen ist diese LINKE bereit, ein Surplus zu liefern. Unter der Überschrift in seinem FAZ-Interview „Putin hat vollzogen, was Hitler nicht geschafft hat“ redet Bodo Ramelow einem ehernen Geschichtsrevisionismus das Wort, gegen den selbst Ernst Nolte als Waisenknabe dasteht.

Die Botschaft: Putin ist nicht nur Hitler, nein, Putin ist schlimmer als Hitler. Während zur Legitimation der NATO- und US-Kriege in der Vergangenheit wenigstens noch das Gleichheitszeichen stand: Milosevic ist Hitler, Saddam Hussein ist Hitler und Gaddafi ist Hitler – um die eigenen Regime-Change-Kriege zu legitimieren von Bush zu Obama sieht sich Ramelow, offenbar um den Mehrwert dieser Linken beweisen zu wollen, zu einem Überbietungswettbewerb veranlasst. Wie gesagt, Putin ist nicht gleich Hitler, sondern er hat sogar vollzogen, was Hitler nicht geschafft hat.

Diese Kriegslegitimation wurde selbstverständlich gierig aufgesogen. Sie taugt in ihrem pseudo-antifaschistischen Duktus natürlich auch hervorragend als Kriegslegitimation. Am Ende muss dieser Diskurs in der Vergöttlichung der deutschen Rüstungsindustrie münden, die die vielen schönen Waffen für den antifaschistischen Kampf herstellt. Dem Fall nach unten, was die Programmatik angeht, sind damit keine Grenzen mehr gesetzt.

Viertens:
Am Ende wirkt der Ukraine-Krieg nur wie der Brandbeschleuniger, was die friedenspolitischen Positionen angeht. Lange vorbereitet ist der Bruch: sowohl durch das permanente Drängen, die Verbrechen der USA und der NATO nicht zu deutlich zu kritisieren, aber auch durch das ständige Drängen als gouvernementalen Präventivschlag, die Kritik der Linken an der NATO abzuräumen.

Programmatisch vorbereitet auch durch eine Äquidistanz zu Russland und der NATO, um dann zu einer Position überzugehen, wo man die Kritik nur noch auf Russland kaprizierte, aber fortan vom Hauptfeind schwieg. Dieselben Leute, die einem jahrelang erklärten, es gäbe keinen Imperialismus mehr, der Begriff sei überholt, entdeckten ihn wieder im Fahrwasser von Olaf Scholz, aber ausschließlich als russischen Imperialismus.

Und so, wie die SPD-Linke sich der Bauernfängerei für den Ersten Weltkrieg und eine linke Zustimmung anschloss, in dem sie ihn zum Krieg gegen den Zarismus verklärte, so findet der Imperialismus-Begriff seine Verwendung von Links auf Russland. Zitat Ramelow von 2016: „Wir müssen ja keine begeisterten NATO-Anhänger werden“, wenn wir regieren. Sprache kann verräterisch sein.

Man muss es Katja Kipping lassen, dass sie hier am weitesten fortgeschritten ist. Die NATO, die nicht nur entgegen aller Zusagen die Ostexpansion unter der Führung der USA organisiert hat, die in Afghanistan einen 20-jährigen mörderischen Krieg geführt und Länder wie Jugoslawien und Libyen völkerrechtswidrig überfallen hat, wird nur für diese LINKE zu einer regelrechten Friedensallianz. Marx hatte noch davor gewarnt, dass das Selbstbild einer Person oder auch einer Organisation nicht zwingend mit der Wirklichkeit übereinstimmen müsse, aber bei der Kipping-Linken, die würdige Nachfolger gefunden hat, ist es so.

Folgerichtig wird die Revision des Programms gefordert, die Positionen zur NATO müssten weg, denn eine „generelle Ablehnung sei überholt“, so Kipping.

Fünftens:
Eine Rückkehr zum friedenspolitischen Grundkonsens ist mit dieser LINKEN-Führung nicht zu machen. Die LINKEN-Führung steht eben auch nicht nur für das Stillhalten bei den Forderungen nach Waffenlieferungen, nein, viel schlimmer setzt sie auf einen Wirtschaftskrieg an der Seite des US-Imperialismus, der vor allem die eigene Bevölkerung trifft. Wer aber den sozialen Krieg gegen die eigene Bevölkerung mit einfordert, der macht sich natürlich auch völlig unglaubwürdig im Hinblick auf eigene soziale Forderungen und wird von der Bevölkerung zunehmend als Teil des Problems wahrgenommen. Es braucht aber eine glaubwürdige soziale und friedliche Kraft in diesem Land, die kein Bündnis mit dem Hauptfeind im eigenen Land eingeht. Es ist unsere historische Verantwortung, am Ende einer Partei, die zur Kriegspartei mutiert, nicht auch noch Legitimität zu verleihen.

Unsere historische Verantwortung ist es, uns gegen Wirtschaftskriege und Waffenexporte zu stellen und gegen einen Militärpakt, der auf Aufrüstung, Eskalation, Expansion und Überfälle setzt. Es braucht eine Kraft, die auf einen sofortigen Waffenstillstand, unkonditionierte Verhandlungen und ein Ende des Wirtschaftskrieges setzt. Es braucht eine Kraft, die glaubwürdig für Frieden, Freiheit und soziale Gerechtigkeit eintritt.

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