Kauft deutsch!

Von Michael Götze, Vorsitzender der DKP in Hamburg

Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten überschlug sich die Mainstream-Presse: Nun werde der Staffelstab des Führers des aufgeklärten Westens von Barack Obama an Angela Merkel übergeben. Der Friedensnobelpreisträger Obama stand demnach für Demokratie, Menschenrechte und sozialen Ausgleich – so als hätte es die US-Angriffskriege, Drohnen-Morde und den sozialen Abstieg ganzer Landstriche seines Landes nicht gegeben.

Angela Merkel soll als Miss „Anti-Trump“ die Presse- und Meinungsfreiheit, den Umweltschutz, den Freihandel, die Gleichberechtigung und den sozialen Ausgleich in Europa und in der Welt hochhalten. Die erste Reaktion aus Deutschland auf US-Präsident Trump war allerdings die Forderung nach mehr Rüstung und einer EU-Armee, um dem europäischen und insbesondere dem deutschen Monopolkapital gegenüber der Konkurrenz mehr Handlungsspielraum zu verschaffen.

Und wo könnte Merkel ihre strahlende Rolle als neuer Führerin der westlichen Welt besser spielen als in Hamburg, als Gastgeberin der G20?

Ein Top-Thema auf dem G20-Treffen ist die Kündigung des Pariser Umweltabkommens durch die US-Regierung. Durch den Wegfall von Umweltauflagen soll den US-Monopolen auf dem Weltmarkt ein wirtschaftlicher Vorteil verschafft werden. Aber macht die Merkel-Regierung anderes, wenn sie jahrelang über die Abgasmanipulationen der deutschen Autohersteller hinwegsieht? Ihren Einfluss in der EU nutzte sie, um den Autokonzernen weiterhin den Bau großer SUVs zu ermöglichen – trotz deren gewaltigen Kohlendioxid-Ausstoßes.

Merkel beklagt die Einschränkung des Freihandels durch die US-Regierung, hat aber keine Probleme mit den Wirtschaftssanktionen gegen Russland und andere Länder. Protektionismus ist ihr gut und teuer, wenn er sich gegen chinesischen Stahl richtet – zum Schutz der deutschen Monopole.

Wenn der US-Senat seiner Öl- und Gasindustrie Vorteile auf dem europäischen Energiemarkt verschafft, indem er Firmen bedroht, die am Bau einer zweiten Gasleitung von Russland nach Europa beteiligt sind, finden das deutsche Regierungsvertreter unerhört. Wenn die deutschen Regierungen von Schröder (SPD) bis Merkel (CDU) einen Niedriglohnsektor schaffen, mit dem die deutsche Industrie im Euro-Raum alles kaputtkonkurriert, finden das Merkel und Co. völlig in Ordnung. Solange es deutsche Monopole sind, die damit Profit machen.

„Afrika“ steht als großes Thema beim G20-Treffen. Und Merkel will – ganz in ihrer Rolle – den afrikanischen Staaten angeblich wirtschaftlich auf die Beine helfen. Dahinter steht auch die Furcht, dass immer mehr Menschen versuchen könnten, aus dem Elend zu uns zu flüchten. Die von Merkel gepriesenen Freihandelsverträge, die den dortigen Regierungen aufgezwungen wurden, geben den europäischen Monopolen freie Hand zur Ausplünderung dieser Länder. Hinter einer humanitären Fassade stecken neue Anlagemöglichkeiten für das europäische, insbesondere das deutsche Monopolkapital. Auslands­einsätze der Bundeswehr – wie der in Mali – verschaffen dem Kapital zusätzlich militärische Optionen.

Merkel, Garantin der Menschenrechte? Bei der Vorbereitung des G20-Treffens in Hamburg sehen wir Demonstrations- und Versammlungsverbote über mehr als 38 Quadratkilometern in der Stadt, ein neues Großgefängnis mit angeschlossener Gerichtsbarkeit, die Besetzung der gesamten Innenstadt mit über 20 000 Polizisten, den Einsatz der Bundeswehr in der Stadt, Beschränkung der Bewegungsfreiheit durch Einstellung des regulären Busverkehrs, Hausdurchsuchungen bei AktivistInnen, Verhinderung von Protest-Camps und Hetze gegen Gipfelgegner.

Wischt man die Schminke der freundlichen Maske ab, bleibt nichts übrig als der ganz gewöhnliche Imperialismus – der Kampf um Rohstoffe, Arbeitskräfte und Absatzmärkte. Trump agiert auf die grobe Art, Merkel mit viel Gedöns und schöneren Worten.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Kauft deutsch!", UZ vom 7. Juli 2017



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Baum.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit